Letzter Weg
umgeben …«
»Du glaubst nur, dass sie so selbstbewusst sind«, hatte Terri gesagt.
»Viele von denen sind es«, hatte Saul auf seiner Meinung beharrt. »Jedenfalls haben sie weit mehr Selbstvertrauen als ich.«
Das wurde ihm in jeder Vorlesung deutlich vor Augen geführt, wenn seine Kommilitonen Fragen stellten, kluge Dinge von sich gaben oder herausragende Argumente vorbrachten, während Saul mit seinem Hintern am Sitz klebte und den Mund zukniff.
Daheim war er schon immer ein eher ruhiges Kind gewesen. Er war es zufrieden gewesen, die Diskussionen, Witze und Geschichten der Familie zu genießen, ohne selbst etwas beizutragen. Zu jener Zeit hatte sein Schweigen sich auf Zufriedenheit gegründet.
Jetzt nicht mehr. Dieser Tage quälte er sich mit einem wachsenden Berg von Selbstzweifeln herum, die ihm das Denken immer schwerer machten.
Möbel zu schreinern war eine gute Ablenkung, alles hinauszuzögern: das Studium gegen den Duft des Holzes tauschen, gegen die erregende, manchmal betäubende Tätigkeit des Sägens, Hämmerns. Selbst der Lärm und das Vibrieren der Elektrowerkzeuge halfen ihm, unwillkommene Zweifel an seiner anderen, realen Arbeit zu verdrängen.
Nur war es das, was sich für Saul unendlich realer anfühlte. Hier konnte er etwas erreichen, etwas schaffen: Tische, Regale, Stühle. Erkonnte mit einfachen Dingen anfangen und dann immer selbstbewusster und kreativer werden.
»Dann häng die Medizin doch an den Nagel«, hatte Terri gesagt. »Mach Möbel.«
»So einfach ist das nicht«, hatte Saul erwidert.
»Doch, ist es wohl«, hatte sie widersprochen. »Ein Leben, eine Chance.«
Sein Vater hatte keinerlei Druck auf ihn ausgeübt, das Studium durchzuziehen, doch Judy hatte unbedingt gewollt, dass Saul in Davids Fußstapfen trat, und dann waren da auch noch Sams hochgesteckte Hoffnungen für seinen kleinen Bruder, und Saul hasste es, sich mit ihm zu zerstreiten – weshalb ihm auch das Problem zwischen Terri und Sam so nahe gegangen war.
Gott, er war verrückt nach Terri, aber nicht genau zu wissen, wohin für sie die Reise als Paar ging, machte ihm Sorgen. Auch hatte er Angst, dass er ihr auf Dauer nicht gut genug sein würde, nicht besonders genug. Und das war noch so eine Sache mit dem Medizinstudium: Über Jahre hinweg würde er Terri nichts Greifbares zu bieten haben, obwohl sie immer wieder beteuerte, das sei ihr egal; sie habe einen langen Atem. Außerdem sei es die Sache wert. Irgendwann würde er Arzt sein und den Menschen helfen.
Aber warum wollte sie dann nicht, dass er zu ihr zog?
»Im Augenblick brauchen wir beide unsere Freiräume«, hatte sie erklärt.
Saul brauchte keine »Freiräume«, nicht wenn es um Terri ging. Wenn sie es erlaubt hätte, er wäre mit Freuden bei ihr in den Kleiderschrank gezogen.
»Außerdem braucht dich dein Dad«, hatte sie gesagt.
Aber das stimmte nicht. Also war Saul zu dem Schluss gekommen, dass er vermutlich nicht gut genug für Terri war, egal was sie sagte. Teté war so lebendig und tapfer; sie hatte diese wilde Seite, und er würde fast alles für sie tun. Nur dass er nichts tun konnte, denn er war noch immer Student, der zu Hause bei seinem alten Herrn wohnte, der zwar ein großartiger Kerl war, aber …
Und wie lange würde Terri sich noch damit abgeben?
20.
19. August
Gregory glaubte nicht, dass er es noch länger ertragen konnte: dieses Gefühl des Verderbens, sich so schlecht zu fühlen. Und er wusste, dass es nur einen Weg gab, damit er sich besser fühlte; er wusste es und hatte so verdammt große Angst, seitdem es passiert war. Er war clean, aber eben weil er clean war, fühlte er sich beschissen.
Aber das lag nicht daran, weil er sich kein Koks reinzog. Er fühlte sich beschissen wegen dem, was geschehen war, wegen dem, was er gesehen hatte. Er war fast wahnsinnig vor Angst, dass er, sie oder es zurückkommen könnte, weil er es gesehen hatte. Und vielleicht war Koks jetzt wirklich das Einzige, das ihm half, denn niemand sonst konnte ihm zur Seite stehen, kein Arzt, keine Eltern, kein Seelenklempner.
Was Greg jetzt mehr brauchte als alles andere – außer es irgendwie ungeschehen machen zu können –, war, dass die Erinnerung und die Angst verschwanden.
Kokain konnte dafür sorgen.
Und es war ja nicht so, als hätte er danach suchen müssen. Auch riskierte er nicht, dass Mom, Dad oder gar die Cops herausfinden könnten, dass er sich Stoff kaufte. Er hatte ihn bereits.
Denn vergangene Nacht war der Weihnachtsmann durch
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