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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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zu sehen, was sie tun konnte.
    Jetzt aber hatte sie erst einmal beide Hände voll zu tun, und offen gesagt würde Claudia hier ohnehin keine große Hilfe sein – nicht so, wie sie klang.
    Also sagte Grace ihrer Schwester, dass sie sie liebe und vermisse und dass es ihr und dem Baby gut gehe, aber sie wolle ihr, Daniel und den Jungs keinen unnötigen Stress machen. Sie habe ja noch Sam, Cathyund David, die sich um sie kümmerten, also kein Grund zur Sorge. Und Claudia klang zwar traurig, aber auch ein wenig erleichtert.
    »Aber versprich mir, dass du mich anrufst, wenn sich irgendwas verändert oder wenn du mich brauchst«, sagte sie.
    »Sofort«, erwiderte Grace.

56.
    7. September
    »Nichts Neues, Sam«, berichtete Martinez am Mittwochmorgen.
    »Nichts?«
    »Jedenfalls nichts, was du nicht bereits wüsstest. Ein Arschloch von Vater und eine Säuferin als Mutter. Die Oma hat sie gerettet – wie du gesagt hast. Und ja, natürlich könnte das der Ausgangspunkt für eine üble Psychose sein, aber das glaube ich nicht. Schließlich hat das Mädel sich zusammengerissen und ist Cop geworden wie ihr Opa, oder etwa nicht?«
    »Ja«, bestätigte Sam.
    »Kann ich jetzt also damit aufhören?«
    »Ich nehme es an«, antwortete Sam.
    »Himmel noch mal, Mann! Willst du etwa, dass sie eine Serienmörderin ist?« Martinez klang genervt. »Wäre es dir lieber, wenn sie es gewesen wäre, die deinem Bruder das Hirn aus dem Schädel geprügelt hat?«
    »Nein«, antwortete Sam, »natürlich nicht.«
    »Dann kannst du dich ja jetzt auf Saul, Grace, Cathy und deinen Dad konzentrieren, und die Untersuchung überlässt du den Jungs in Naples, okay?«
    »Sicher«, sagte Sam.
    »Warum nehme ich dir das nicht ab?«, sagte Martinez.
    »Habe ich etwas getan, das dich ärgert?«
    Cathy stellte Grace diese Frage, als sie am Nachmittag im Krankenhausgarten spazieren gingen. Es gab hier prächtige Bäume und Blumen, alles typisch Naples. Das Gras sah aus, als wäre jeder Grashalm einzeln getrimmt worden, und entlang der Gehwege standen schön geschnitzte Bänke.
    Keine der beiden Frauen hatte ein Auge für diese Schönheit.
    Sie hatten zu viele Dinge im Kopf.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Grace.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Cathy. »Ich meine, wir fühlen uns alle mies wegen Saul, aber du scheinst …«
    »Was?« Grace blieb stehen und schaute Cathy an. »Süße, sag es mir bitte. Was habe ich getan, dass du glaubst, ich sei wütend auf dich?«
    »Nichts Schlimmes.« Cathy nahm ihre Hand und drückte sie. »Aber seit wir hierhergekommen sind, wirkst du irgendwie, als … als wärst du tausend Meilen weit weg.« Sie schüttelte den Kopf. »Und nicht nur von mir. David empfindet genauso. Was Sam betrifft, kann ich nichts sagen; er macht sich viel zu sehr verrückt wegen Saul.«
    »Tut mir leid.« Scham trieb Grace die Röte in die Wangen. »Ich schwöre dir, Cathy, das hat nichts mit dir zu tun. Ich versuche bloß, irgendwie mit allem zurechtzukommen.«
    »Das kauf ich dir nicht ab.« Cathy schaute sie mit ihren klaren blauen Augen herausfordernd an. »Wenn es andersherum wäre, würdest du dann nicht wollen, dass ich meine Probleme mit dir teile?«
    »Natürlich, aber …«
    »Warum tust du dann nicht das Gleiche?«
    Einen Moment lang war Grace in Versuchung, denn Cathy hatte natürlich recht, und sie war kein Kind mehr; sie war eine Erwachsene mit mehr Lebenserfahrung als die meisten in ihrem Alter.
    Trotzdem konnte sie es ihr nicht sagen, konnte es nicht mit ihr teilen: weder ihre Zweifel in Bezug auf Terri noch Sams Wut auf sie, weil sie das vor ihm verheimlicht hatte. Schließlich hatte Grace Sam dann ja doch ihre Sorgen mitgeteilt, und nun mussten sie zum Wohle aller privat bleiben, besonders zum Wohle Sauls. Was nun den Ärger zwischen ihr und Sam betraf, war das genauso privat, und es war an ihr, einen Weg zu finden, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken.
    »Weil es nichts zu teilen gibt«, sagte sie nun. »Außer dem, was du bereits weißt, und das ist eine Menge, meinst du nicht auch?«
    Cathy gab auf. Schweigend gingen sie weiter. Grace war nicht die Einzige, die unter Schuldgefühlen litt. Cathy war sich durchaus bewusst, wie heuchlerisch sie war; schließlich hatte sie ihre eigenen emotionalen Probleme ja auch nicht mit Grace geteilt.
    »Alles okay jetzt?«, fragte Grace in sanftem Ton.
    »Alles okay«, antwortete Cathy.
    Sie kehrten ins Krankenhaus zurück.
    Zwei Stunden später, als Cathy erneut eine Pause einlegte,

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