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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Sachlichkeit war nichts mehr zu sehen, und einfach war es auch nicht mehr.
    Cathy wusste, dass die Antwort »Nein« lautete, auch jetzt noch. Sie würde nicht von ihr weglaufen. Sie würde so lange bei Kez bleiben, wie sie konnte … so lange, wie man sie ließ. Und jetzt war es auch nicht mehr wie Novocain, kein Betäuben des gesunden Menschenverstands mehr. Das hier war etwas vollkommen anderes, etwas, das überhaupt keinen Sinn ergab …
    »Ich gehe nirgends hin«, sagte Cathy.
    Sie gingen über die Brücke und durch das lange Gras zum Strand hinunter.
    Der Sand war weißer und wirkte weicher als der in Miami. Das Meer roch frisch und sah wunderbar aus, und der Wind war kräftig. Er zerzauste ihre Haare, ein warmer, sandiger Wind. Um sie herum waren fröhliche Menschen, die ein ganz normales Leben führten, und es fühlte sich für Cathy ein wenig so an, als wäre sie im Urlaub, nur dass sie sich immer wieder zwingen musste, nicht an die dunklen Flecken auf dem Schläger zu denken, den ihre Geliebte noch immer in der linken Hand hielt.
    Sie versuchte, Rudolph Muller zu vergessen, der an einem Strand getötet worden war.
    Und dann erkannte sie plötzlich, wo sie waren.
    An dem Strand nicht weit entfernt vom Pier.
    Wo Saul überfallen worden war.
    Wo man auf ihn eingetreten hatte. Eingeprügelt. Wo man ihn beinahe getötet hatte.
    Cathy blieb stehen, zog ihren Arm von Kez weg und starrte sie an.
    Kez erwiderte ihren Blick.
    Sie wusste, dass Cathy es erkannt hatte.
    Kez kniete sich in den Sand und legte den Schläger vor sich auf den Boden wie ein Samurai sein Schwert.
    »Komm. Setz dich zu mir, Cathy.« Sie ließ das 44er Hemd neben sich fallen. Das ärmellose schwarze T-Shirt, das sie vor Stunden angezogen hatte, klebte von Schweiß, und ihre Arme, Schultern und das winzige Libellentattoo glitzerten. »Komm, setz dich ein letztes Mal zu mir.«
    Cathy setzte sich. Ihre Bewegungen waren sehr langsam; nun war sie wirklich wie betäubt. Ein Schrei der Qual wurde tief in ihrem Innern von Unglauben festgehalten.
    »Ich habe die Katze nie vergessen«, sagte Kez, »aber ich habe mich auch nie schlecht deswegen gefühlt. Im Laufe der Jahre habe ich sie sogar immer mehr gehasst, denn die Katze war die Erste, die mich verspottet hat … die mir dieses Gefühl vermittelt hat. Und auch wenn es nur hier oben war«, sie tippte sich an den Kopf, »so bin ich doch keine Närrin, Cathy. Ich weiß, dass die meisten meiner Probleme hier drin sind, aber trotzdem hat die Katze mich gezwungen zu sehen, wie hässlich und lächerlich ich war.«
    Cathy wandte sich von Kez ab, blickte aufs Meer hinaus und dachte an die Macht des Wassers. Wenn der Golf von Mexiko sich plötzlich erhöbe und sie verschlänge, würde sie es vielleicht sogar willkommen heißen.
    Ein Mann mit einem kleinen Kind ging an ihr vorbei. Der Junge trug ein viel zu großes weißes T-Shirt, das sich in der Brise blähte, und der Mann hielt ihn an der Hand, während sie durch den Sandstapften … und Cathy schämte sich ob des Gedankens, den sie gerade gehabt hatte.
    »Ich nehme an, das ist auch der Grund, warum ich Tiere nie sonderlich gemocht habe«, sagte Kez.
    »Woody.« Cathy war nicht sicher, ob sie das Wort wirklich gesagt hatte, aber es war auch egal. Jetzt war alles egal außer …
    »Außer den echten Tieren, du weißt schon. Die stärkeren, wilderen. Jaguare und Hyänen zum Beispiel.« Kez sprach nun sehr leise. »Jaguare sind Gestaltwandler. Sie jagen im Wasser und sind wunderschön. Und die Menschen halten Hyänen für hässlich und feige, aber das sind sie nicht. Sie lassen nicht zu, dass sich ihnen jemand in den Weg stellt. Sie sorgen immer dafür, dass sie als Letzte lachen, und das bewundere ich an ihnen. Du nicht?«
    Es war immer schwerer, Kez über den Wind und die Wellen hinweg zu verstehen, oder vielleicht wollte Cathy ihr nicht mehr zuhören, während Kez munter weiter über Tiere plapperte.
    Vielleicht schon bald, dachte Cathy, würde sie die Kraft finden, aufzustehen und wegzugehen, doch im Augenblick konnte sie nur dasitzen, mit halbem Ohr zuhören und aufs Meer hinausschauen.
    »Da hat Saul mich dann gesehen«, sagte Kez.
    Das hatte Cathy gehört.
    »Dort hat er es getan«, fuhr Kez fort. »Im Zoo hier in Naples.«
    Cathy drehte sich zu ihr um und starrte sie an.
    »Ich hab einfach nur dagehockt und ein bisschen Zeit mit den Hyänen verbracht, weil ich es mag, sie anzusehen und in ihrer Nähe zu sein. Und dann habe ich aufgeschaut, und da

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