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Leuchtende Sonne weites Land - Roman

Titel: Leuchtende Sonne weites Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser
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noch das blutverschmierte, bleiche, unbewegte Gesicht ihres jüngeren Bruders vor sich. Energisch verdrängte sie dieses Bild.
    Jacqueline trat das Gaspedal abermals durch, kniff die Augen zu und preschte in die Furt. Sie spürte, wie die Wassermassen das Auto bremsten, wie die Strömung an ihm zerrte. Fontänen schossen zischend auf beiden Seiten hoch. Sie hoffte inständig, dass der Motor nicht absoff. Tatsächlich gelang es ihr, die andere Seite zu erreichen. Mit unverminderter Geschwindigkeit fuhr sie weiter in Richtung Straße.
    Der Regen ließ ein wenig nach, was den Männern draußen die Arbeit erleichterte. Bobby und Nick hatten den auf die Koppel gestürzten Baum zersägt und die Teile beiseitegeräumt, während die Jungen gemeinsam jenes Stück Zaun ausbesserten, das von der Baumkrone niedergerissen worden war.
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du den Widder gerettet hast«, sagte Ben zu Geoffrey. »Er wird dafür sorgen, dass wir viele Lämmer bekommen werden, von deren Verkauf wir eine ganze Weile leben können. Dazu noch der Regen, der uns ausreichend Futter sichert! Es geht wieder aufwärts, und das haben wir zu einem großen Teil dir zu verdanken.«
    Geoffrey erwiderte nichts. Er konnte seinem Vater nicht in die Augen sehen. Die Bewunderung in seiner Stimme war mehr, als er ertrug.
    Ben sah seinen Sohn prüfend an. »Stimmt was nicht, mein Junge? Du bist so still.«
    »Dad, ich muss dir etwas sagen«, murmelte Geoffrey mit belegter Stimme. Er räusperte sich. »Du denkst, ich bin furchtbar tapfergewesen, weil ich meine Ängste überwunden habe, aber das stimmt nicht«, fuhr er fort, ohne aufzuschauen. »Jackie hat den Widder gerettet. Sie hat ihr Leben dafür aufs Spiel gesetzt, und als sie den Schafbock gerettet hatte, musste sie auch noch mich retten.«
    Ben fiel aus allen Wolken. »Jackie? Jackie war es?« Er konnte es nicht glauben.
    Geoffrey nickte. Endlich blickte er auf, und als er die Fassungslosigkeit in den Augen seines Vaters sah, brach es ihm schier das Herz. »Ich wollte den Widder retten. Aber dazu musste ich auf einem umgestürzten Baum über den Fluss balancieren und bin ausgerutscht …« Er ließ den Kopf hängen. Er hörte selbst, wie jämmerlich das klang.
    »Mein Gott, Geoffrey, bist du etwa ins Wasser gefallen?« Alle Farbe wich aus Bens Gesicht, als ihm klar wurde, dass er seinen Sohn hätte verlieren können.
    »Nein, ich hab mich wie ein kleines Kind an den Stamm geklammert – wie gelähmt vor Angst, Dad. Ich war feige …« Er fuhr fort, den Zaun aufzurollen.
    Ben spürte, wie schwer es seinem Sohn fiel, seine Schwäche einzugestehen. Er fühlte seinen Schmerz, als wäre es sein eigener, und wünschte, er könnte irgendetwas sagen, damit der Junge sich besser fühlte, aber er wusste nicht, was. So schwieg er hilflos.
    »Während ich an dem Baumstamm hing und nicht vor- und nicht zurückkonnte, kam Jackie auf Dixie vorbei.« Geoffrey streifte seinen Vater mit einem flüchtigen Blick. Ben machte ein völlig verstörtes Gesicht. »Sie ist durch den Fluss geritten und hat den Widder die Böschung hinaufgezerrt. Sie war unglaublich mutig, während ich nichts weiter getan habe, als mich an den verdammten Baum zu klammern.«
    »Aber du hast den Widder doch gefunden, oder?« Ben konnte sich nicht vorstellen, dass Jacqueline ihn angelogen hatte. »Wenn du ihn nicht aufgespürt hättest, wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen.«
    Geoffrey schwieg. Er hielt seinen Beitrag für so unbedeutend, dass er nicht der Rede wert war.
    Ein bedrückendes Schweigen trat ein. Ben, der völlig durcheinander war, versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
    Nach einer Weile sagte er: »Weißt du, mein Junge, du hättest mich auch weiter in dem Glauben lassen können, dass du es warst, der den Widder aus dem Fluss gezogen hat. Jackie hätte den Mund gehalten. Ich finde es sehr anständig von dir, dass du die Wahrheit gesagt hast.« Jetzt, wo er darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, dass Jacqueline die Geschichte so dargestellt hatte, als hätte Geoffrey den Schafbock gerettet.
    »Du kannst ruhig zugeben, dass du enttäuscht von mir bist, Dad«, sagte Geoffrey bitter. »Ich werde in deinen Augen nie ein richtiger Mann sein, und ich kann es dir nicht verdenken. Ich sehe mich selbst ja auch nicht so.«
    »Ach, Junge, da irrst du dich aber gewaltig.« Ben kämpfte gegen Tränen an. »Glaubst du denn, ein richtiger Mann darf keine Schwäche zeigen oder nicht weinen?«
    Geoffrey

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