Leuchtende Sonne weites Land - Roman
noch um den Verstand. Over.«
Plötzlich stieß Vera einen markerschütternden Schrei aus. Jacqueline hörte ein lautes Krachen und dann ein Platschen.
»Vera? Vera! Alles in Ordnung? Over.«
Es knisterte ganz fürchterlich im Funkgerät. Die Verbindung wurde so schlecht, dass Jacqueline nur noch ein paar Wortfetzen aufschnappte. »Eingestürzt … Angst … elektrischer Strom … komm schnell … Name … am Gatter …« Dann brach die Verbindung vollends ab.
Jacqueline hatte Herzklopfen vor Angst und Aufregung. War die Decke eingestürzt und hatte Vera unter sich begraben? Oder hatte sie einen Stromschlag bekommen? Was tun? Sie funkte Tess an, konnte sie aber nicht erreichen. Zudem lag Arkaba noch weiter von Rawnsley Park Station entfernt als Wilpena, Tess würde Vera also auch nicht helfen können. Jacqueline überlegte fieberhaft. In Notfällen könne sie das Hawker Hotel oder das Quorn Hotel anfunken, hatte Ben ihr erklärt, aber erstens war sie nicht sicher, ob sie es richtig machen würde, und zweitens lagen sowohl Hawker als auch Quorn weit entfernt. Und was sollte sie sagen? Dass das Funkgerät auf Rawnsley Park Station ausgefallen war? Das war sicherlich kein Grund, bei diesem Wetter Hilfe loszuschicken.
Jaqueline überlegte, ob sie Dixie satteln sollte. Aber im strömenden Regen den langen Weg zu Pferd zurückzulegen, hielt sie nicht für eine gute Idee. Die Männer arbeiteten ziemlich weit vom Haus entfernt, es würde zu lange dauern, sie zu suchen und zu bitten, mit dem Pick-up nach Rawnsley Park zu fahren. Vera brauchte Hilfe, jede Sekunde war kostbar.
»Was soll ich bloß machen?«, jammerte Jacqueline verzweifelt, während sie vor dem stillen Funkgerät auf und ab ging.
Und dann fiel ihr der Morris ein.
Ben hatte den Schlüssel im Zündschloss stecken lassen. Aber als Jacqueline ihn drehte, sprang der Motor nicht an.
»Oh, komm schon!«, flehte sie entnervt.
Sie versuchte es ein zweites Mal, und dieses Mal klappte es. Der Motor röhrte auf und lief gleichmäßig weiter. Jacqueline schloss für einen Moment die Augen und rief sich ihre Fahrstunde mit Ben insGedächtnis zurück. Es war ihr absolut nicht geheuer, allein zu fahren, aber sie dachte an Vera, die vielleicht verletzt war und Hilfe brauchte. Sie öffnete die Augen, holte noch einmal tief Luft, legte dann den ersten Gang ein, nahm ihren Fuß von der Kupplung und der Bremse und trat aufs Gaspedal. Der Wagen schoss vorwärts, aus der Garage und in den Hof. Der strömende Regen klatschte auf die Scheiben, und Jacqueline sah überhaupt nichts mehr. Den Fuß immer noch auf dem Gaspedal suchte sie fieberhaft nach dem Schalter für die Scheibenwischer.
Plötzlich prallte sie abrupt gegen ein Hindernis. Der Wagen kam zum Stillstand, der Motor starb ab. Jacqueline stieß einen spitzen Schrei aus und war einen Augenblick wie versteinert. Ihr Herz klopfte heftig, als sie die Wagentür öffnete, um nachzusehen, was sie gerammt hatte. Es war der Kreis aus Steinen, ein heiliger Ort für die Aborigines, wie sie von Ben wusste. Durch den Aufprall waren einige Steine verschoben worden. Alles halb so schlimm, entschied sie. Sie besah sich das Auto, konnte aber keine Schäden feststellen. Ein Glück, dass das Chassis aus Stahl war.
Eilig stieg sie wieder ein. Als sie nach einigem Suchen den Schalter für die Scheibenwischer entdeckt hatte, ließ sie den Motor wieder an und ratschte durch die Gänge, bis sie den Rückwärtsgang gefunden hatte. Behutsam gab sie Gas und fuhr ein Stück zurück, um zu wenden. Als sie den ersten Gang einlegen wollte, hämmerte jemand an die Scheibe auf ihrer Seite. Jacqueline zuckte erschrocken zusammen. Sie wandte den Kopf, sah aber nicht Ben oder Nick, wie sie erwartet hatte, sondern einen Ureinwohner, der ein wütendes Gesicht machte, drohend die Faust schüttelte und erregt auf sie einredete.
Jacqueline trat das Gaspedal bis zum Boden durch und schoss die morastige Auffahrt hinunter.
Als sie die Furt vor sich sah, über die das tosende Wasser hinwegspülte, warf sie einen ängstlichen Blick zurück. Sie konnte nicht viel erkennen, weil der Regen so stark war, aber war es möglich, dassdie Aborigines sie verfolgten? Unwillkürlich blitzten Kindheitserinnerungen vor ihrem inneren Auge auf. Sie hatte schon einmal voller Angst durch die Heckscheibe eines Autos gespäht, weil sie verfolgt worden war, und kurz darauf hatte sich der Wagen überschlagen, und ihre halbe Familie war ausgelöscht worden. Sie sah heute
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