Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Vera hat ja Recht, dachte sie, wahrscheinlich bin ich nach den Strapazen der letzten Tage einfach ausgelaugt und sehe deshalb alles so schwarz. »Du hast Recht.Mir geht’s bestimmt besser, wenn ich mich ein bisschen ausgeruht habe.«
Vera tätschelte ihr die Hand. »Ganz bestimmt. Du bist geistig und körperlich erschöpft, kein Wunder, nach allem, was du hinter dir hast. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, du wirst sehen. Glaubst du, du kommst klar mit der Bettcouch? Dann könnten Tess und ich schon mal mit dem Abendessen anfangen.«
Vera drückte Jacqueline liebevoll die Schulter, als diese nickte, und verließ dann das Zimmer.
Jacqueline war todmüde. Sie fühlte sich wie gerädert nach dem langen Tag und der zermürbenden Fahrt auf der Ladefläche des Pick-ups, wo sie der Sonne und dem Wind ausgesetzt gewesen war. Sie fragte sich, woher Vera und Tess die Energie zum Kochen nahmen. Gähnend ließ sie sich auf die Couch fallen. Nur ein paar Minuten, dachte sie.
Jacqueline fuhr erschrocken auf. War das Bens Stimme, die sie geweckt hatte? War sie eingeschlafen? Jacqueline horchte.
Ben unterhielt sich mit Vera, die in der Küche das Abendessen zubereitete, während Tess im Wohnzimmer Ordnung schuf und den Tisch deckte.
»Wo ist denn Miss Walters?«
»In ihrem Zimmer, sie macht ihr Bett«, antwortete Vera, obwohl sie sich schon gedacht hatte, dass Jacqueline eingeschlafen war.
»Macht es Ihnen auch nichts aus, dass Sie kochen müssen?« Ben beobachtete Vera, die geschäftig am Herd und an der Arbeitsfläche hantierte. Ein großer Topf Gemüse köchelte auf dem Herd, und die Koteletts brutzelten in der Pfanne. »Immerhin sind Sie und Tess meine Gäste.« Das Kochen, dachte er, wäre eigentlich Miss Walters’ Aufgabe gewesen, sie ist jetzt meine Angestellte, kein Gast.
»Ach wo, ich koche gern, Ben«, erwiderte Vera, während sie Mehl für eine Soße siebte. »Das hat mir während der Überfahrtrichtig gefehlt. Ich muss sagen, ich hätte nicht erwartet, einen elektrischen Herd hier draußen vorzufinden, schon gar nicht so einen wunderschön glänzenden, weiß emaillierten. Er sieht aus wie neu.«
»Den habe ich meiner Frau letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt, als wir die neue Küche angebaut haben. Ich habe ihn an den Generator angeschlossen. Cindy war es ein Gräuel, auf einem Holzkohleherd zu kochen, deshalb hat sie sich riesig darüber gefreut.« Der Gedanke, dass sie sich nicht lange an ihrem neuen Herd hatte erfreuen können, brach ihm schier das Herz.
»Dann wird der Strom im Haus also von einem Generator erzeugt?«
»Ja, von mehreren. Sie stehen in dem Schuppen neben dem Haus. Da fällt mir ein, normalerweise isst mein Bruder Nick mit uns, aber heute ist er in Hawker. Er kommt erst morgen zurück.«
»Ach ja, richtig, Mr. Cavendish hat erwähnt, dass Ihr Bruder auch hier wohnt. Dann ist er also Junggeselle?«
»Ja, und daran wird sich wohl auch so bald nichts ändern. Er ist viel unterwegs. Er ist drei Mal um die Welt gereist und viele Male kreuz und quer durch ganz Australien.«
»Hört sich nach einem besonders reiselustigen eingefleischten Junggesellen an.« Vera lächelte.
»Tja, er ist um einiges jünger als ich, deshalb kann er sich mit dem Heiraten noch Zeit lassen. Im Gegensatz zu mir ist er darüber hinaus ein gut aussehender Bursche.«
Vera schaute Ben verblüfft an. »Was reden Sie denn da! Sie könnten sich vielleicht mal rasieren, aber Sie haben markante Züge und wunderschöne Augen.«
Jetzt war es Ben, der verblüfft dreinblickte. Er kratzte sich verlegen am Kopf und murmelte: »Also, ich weiß nicht so recht …«
Vera schmunzelte, weil sie ihn mit ihrem Kompliment in Verlegenheit gebracht hatte. »Sie sagten, Ihr Bruder sei jünger als Sie?«
»Ja, ich war das älteste von acht Kindern, Nick das jüngste. Zwischen uns liegen zwanzig Jahre und sechs Geschwister.«
»Wow!«, staunte Vera.
Ben grinste. »Meine irischen katholischen Eltern hätten nach mir und meiner Schwester vielleicht getrennte Betten oder besser noch getrennte Schlafzimmer einführen sollen. Aber sie haben immer behauptet, sie müssten Heizkosten sparen, und so kam eben ein Kind nach dem anderen.«
Vera lachte laut heraus. Ben mochte ihr Lachen, es tat gut, sich mit ihr zu unterhalten. »Wie lange hat eigentlich die Überfahrt gedauert?«, fragte er.
»Knapp vier Wochen.«
»Ich bin noch nie mit einem Schiff gefahren, aber ich könnte mir vorstellen, es ist schön, sich
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