Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Mittagszeit bereiteten Vera und Tess ein paar belegte Brote für Ben und seine Söhne. Ob sie ihnen die Sandwiches nicht bringen wolle, fragte Vera Jacqueline, als die Männer nicht nach Hause kamen.
»Nein, Bens Söhne können mich nicht leiden«, brummte sie.
»Ach was«, meinte Vera. »Sie brauchen nur ein bisschen Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen.«
»Ich weiß doch gar nicht, wo sie sind«, nörgelte Jacqueline.
»Ben sagte etwas von Schmutzwolle scheren in einem Pferch unweit vom Haus. Sie können nicht weit weg sein.«
Jacqueline stieß einen gereizten Seufzer aus und machte sich wohl oder übel mit den Sandwiches auf den Weg. Sie brauchte wirklich nicht lange zu suchen. Ben und seine Söhne stellten im Schuppen Tische und Bänke für das Grillfest auf. Jacqueline war heilfroh, dass sie nicht in die Nähe der Schafpferche musste.
»Ich hab euch etwas zu essen gebracht. Belegte Brote.«
Die Jungen würdigten sie keines Blickes, aber Ben schien angenehm überrascht. »Danke, Jackie. Ich hab gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
Jacqueline packte die Sandwiches aus. »Soll ich euch einen Krug Tee bringen?«, fragte sie mit einem schüchternen Seitenblick auf die Jungen.
»Wir haben Wasser, das reicht fürs Erste. In einer Stunde werden wir hier fertig sein.« Ben nahm sich ein Sandwich. »Tess und Vera sind bestimmt schon ganz aufgeregt, könnte ich mir denken.«
»O ja, sie wissen nur noch nicht, was sie anziehen sollen.«
»Und Sie?«, nuschelte Ben mit vollem Mund. Auch seine Söhne ließen es sich schmecken.
Jacqueline senkte den Blick. »Ich werde nicht kommen«, sagte sie leise.
»Darf ich fragen, warum Sie meine Nachbarn und Freunde nicht kennen lernen wollen?« Ben sprach immer offen aus, was er dachte. Cindy hatte ihn oft deswegen getadelt, aber ändern konnte sie ihn nicht.
»Ich … ich möchte lieber allein sein. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Ganz, wie Sie wollen. Da, wo Sie herkommen, ist Alleinsein wahrscheinlich ein Luxus, bei uns hier draußen ist es eine Lebensweise.«
Cindy hatte sich oft über die Einsamkeit beklagt, wenn er unterwegs gewesen war, um die Schafherden zusammenzutreiben.Er sah Jacqueline prüfend an. Er hatte den Verdacht, dass irgendjemand ihr sehr wehgetan hatte. Deshalb musste sie so verschlossen und zugeknöpft sein. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mensch von Natur aus so in sich gekehrt war.
Jacqueline erwiderte nichts. Als sie den leeren Korb nahm und sich zum Gehen wandte, bemerkte sie, wie Bobby und Geoffrey einen triumphierenden Blick wechselten. Die beiden freuten sich ganz offensichtlich, dass sie nicht zum Grillen kommen würde.
Tess und Vera machten sich gegen sechs Uhr auf zum Schuppen. Noch war es hell, aber Ben hatte für später bereits Lampen aufgehängt. Sie müsse ihre flatternden Nerven unbedingt mit ein paar Drinks beruhigen, bevor Tim komme, meinte Tess.
»Ich hab gar nicht den Eindruck gehabt, dass du so ein nervöser Typ bist«, sagte Jacqueline.
»Bin ich normalerweise auch nicht. Ich bin es nur jetzt, da ich weiß, dass Tim so eine Panik davor hat, mich kennen zu lernen.«
»Ihr seht ganz bezaubernd aus«, sagte Jacqueline bewundernd, als Tess und Vera sich verabschiedeten.
Tess hatte sich für ein rotes Kleid entschieden. Die Farbe stand ihr ganz ausgezeichnet, und der farblich passende Lippenstift auf ihren vollen Lippen unterstrich die verführerische Wirkung noch. Vera trug ein golden, weiß und schwarz bedrucktes Kleid, das ihre schlanke Figur betonte und ihr helles Haar besonders vorteilhaft zur Geltung brachte. Große Kreolen vervollständigten die Garderobe. Die beiden Frauen waren so aufgeregt wie zwei Schülerinnen vor dem Abschlussball. Jacqueline konnte sie verstehen: Möglicherweise war dieser Abend der Beginn eines neuen Lebensabschnitts für sie.
Sie wünschte Vera und Tess von Herzen Glück. Sie hatten es wirklich verdient. Sie selbst hatte es ihrer Meinung nach zwar auch verdient, aber sie glaubte nicht, dass es in nächster Zukunft zu ihr kommen würde.
Als Tess und Vera gegangen waren, zog Jacqueline sich in ihr Zimmer zurück und schaute zu, wie Jeeps, Pick-ups und Utes auf das Grundstück fuhren und neben dem Schuppen parkten. Zuerst sagte sie sich, die Einsamkeit werde ihr guttun. Doch dann stellte sie fest, dass das Gegenteil der Fall war. Unweigerlich kehrten ihre Gedanken zu Henry und den vielen einsamen Stunden in der
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