Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Schiffskabine zurück.
Als es dunkel wurde, kam Vera noch einmal zurück zum Haus.
»Ich hab dir etwas zu essen gebracht«, sagte sie zu Jacqueline und stellte einen Teller mit zwei gegrillten Lammkoteletts und einer Portion Salat auf den Tisch. Jacqueline, der der Duft von gebratenem Fleisch in die Nase gestiegen war, knurrte schon der Magen.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, erwiderte sie. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil Vera sich ihretwegen so viel Mühe machte.
»Ach was, du musst doch essen! Und außerdem hab ich dir das da mitgebracht.« Vera hielt eine Flasche Wein hoch.
»Wunderbar! Das ist genau das, was ich jetzt brauche.« Jacqueline hoffte, der Wein werde sie benebeln, damit sie nicht mehr an Henry und Verity denken musste. »Ist Tim Edwards schon da?«
»Ja, er ist da«, erwiderte Vera zögernd.
»Und?«, forschte Jacqueline. »Wie ist er so?«
»Schwer zu sagen. Er ist mit Mike hergefahren, und kaum war er ausgestiegen, eilte er geradewegs zu den Getränken und ließ sich ein Bier geben. Seitdem geht er Tess aus dem Weg. Steuert sie auf ihn zu, flüchtet er regelrecht in die andere Richtung. Im Moment hat sie’s aufgegeben. Sie unterhält sich mit Tom Stevens und Cyril Luxton. Die beiden haben mit den Frauen gerechnet, die in letzter Sekunde kalte Füße bekommen haben. Falls Tim sich zu sehr geniert, könnte sich einer der zwei an Tess heranmachen.«
»Wie sieht er denn aus?«, fragte Jacqueline neugierig.
»Gar nicht übel. Groß, rotblond, braun gebrannt, durchtrainiert. Er sieht jünger aus, als er ist, aber Tess hat immer schon eine Schwäche für junge, unerfahrene Männer gehabt.« Sie selbst bevorzugte maskuline, reife Männer, Männer wie Michael Rawnsley. »Wenn er nur nicht so schüchtern wäre! Als Mike mich ihm vorstellte, wäre er fast in Ohnmacht gefallen.« Sie verdrehte in komischer Verzweiflung die Augen.
»Die arme Tess. Ob das heute Abend noch was mit den beiden wird?«
»Ich will’s hoffen. Sie haben schon ein paar Bierchen gezischt, da kann noch alles Mögliche passieren.«
Vera grinste, als sie Jacquelines verblüffte Miene sah. »Den Ausdruck hab ich von Ben aufgeschnappt.«
»Und wie läuft’s mit Mike und dir?«
»Wir sind noch gar nicht groß zum Reden gekommen. Es sind noch acht andere Männer da.«
»Keine Frauen?« Jacqueline hatte aus der Ferne nicht sehen können, ob in den Autos Männer oder Frauen saßen.
»Doch, drei sind mit ihren Ehefrauen gekommen. Sie sind alle schrecklich nett. Richtige Landfrauen. Wahrscheinlich werde ich mal genauso werden.«
Jacqueline zog eine Braue hoch. »Und die ledigen Männer? Flirten sie?«
»Flirten wäre zu viel gesagt. Mike sorgt schon dafür, dass sie mir nicht zu nahe kommen, aber sie sind alle sehr gesprächig.«
Vera genoss es ganz offensichtlich, im Mittelpunkt zu stehen, und Jacqueline freute sich für sie.
»Ich hoffe, dass ich Mike später ein bisschen für mich allein haben werde«, fuhr Vera fort. »So, dann werd ich mal wieder gehen. Soll ich später noch einmal wiederkommen?«
»Nein, nein, mach dir um mich keine Gedanken. Ich werde früh schlafen gehen, denke ich.« Jacqueline streifte die Weinflasche mit einem flüchtigen Blick. Wenn sie die ausgetrunken hatte, wäresie alle Sorgen los – zumindest für eine Weile. »Und jetzt geh und amüsier dich!«
»Na schön. Tess und ich werden dir morgen ausführlich Bericht erstatten.« Vera lächelte und verließ das Zimmer.
Jacqueline ließ sich das Essen schmecken, es war wirklich köstlich. Sie trank ein großes Glas Wein dazu und fühlte, wie sie sich allmählich entspannte. Als sie aufgegessen hatte, nahm sie die Flasche und ihr Glas mit ins Wohnzimmer, ließ sich aufs Sofa fallen und legte die Füße auf einen Hocker. Nach dem dritten Glas war sie ziemlich beschwipst. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie hatte den Wein schnell heruntergestürzt, und da sie sonst kaum Alkohol trank, war die Wirkung umso stärker. Aber es tat gut, nicht mehr denken zu müssen, den Schmerz der vergangenen Tage zu betäuben. Sie schloss die Augen und seufzte selig.
Tess dachte fieberhaft darüber nach, wie sie Tim zum Reden bringen konnte. Sie hatte durch Will Baxter herausgefunden, dass Tim früher Rodeos geritten war und viele Preise eingeheimst hatte.
»Er war bekannt für seine ausgefeilten Techniken«, erzählte Will. »Er konnte ein Kalb schneller mit dem Lasso einfangen als jeder andere im Land. Er war einfach unschlagbar.«
»Ach,
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