Leuchtende Sonne weites Land - Roman
der staubigen Stiefel.
Sie drehte sich zu Tess und Jacqueline um. »Ist er nicht ein attraktiver Mann?«, schwärmte sie. Sie konnte kaum glauben, wie positiv sich die Dinge für sie entwickelt hatten. Sie hätte platzen können vor Glück.
»Ja, ja«, gab Tess zurück und zog sie von der Verandatür weg. »Jetzt beeil dich lieber, sonst kommst du noch zu spät zu deiner eigenen Trauung.« Sie gab sich alle Mühe, sich ihre Niedergeschlagenheit nicht anmerken zu lassen.
Es wäre ihr viel lieber gewesen, Tim hätte ihr ins Gesicht gesagt, dass sie nicht sein Typ sei oder dass er doch nicht heiraten wolle, aber sich nach ihrer ersten Begegnung ohne ein Wort der Erklärung nicht mehr zu melden war, als hätte er sie vor dem Altarsitzen lassen. Wenn nicht noch schlimmer. Die Nachricht, dass sie den weiten Weg von Amerika hierhergekommen war, um zu heiraten, und Tim ihr eine Abfuhr erteilt hatte, würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Sie wusste, wie gerne die Leute klatschten, und die Männer auf Wilpena bildeten da keine Ausnahme.
Den Vormittag über hatten die Frauen verschiedene Salate zubereitet, während Nick und Ben und die vier Jungen im Schuppen Bänke und Tische aufgestellt und alles für die Hochzeitsparty vorbereitet hatten. Tess hatte durch das halb geöffnete Badezimmerfenster zufällig eine Unterhaltung zwischen Ben und Nick belauscht.
»Es wäre schön gewesen, wenn Tess und Vera am selben Tag geheiratet hätten«, meinte Ben. »Ich hatte den Eindruck, dass Tess und Tim sich gut verstanden. Aber anscheinend hat er doch noch kalte Füße gekriegt und ist abgehauen.«
»Glaubst du wirklich, er ist fort und hat seinem Verwalter die Leitung der Farm überlassen?«
»Sieht ganz danach aus. Kein Mensch hat ihn seit dem Grillfest mehr gesehen. Das ist wirklich ungewöhnlich.«
Tess fühlte sich gedemütigt, als sie das hörte.
»Tess ist eine klasse Frau, es wird sich schnell herumsprechen, was für ein Esel Tim ist, weil er es nicht gemerkt hat«, sagte Nick.
»Da hast du allerdings Recht.« Nach einer kleinen Pause fuhr Ben fort: »Da wir keine Doppelhochzeit feiern, habe ich mir gedacht, wir feiern im kleinen Kreis. Ich habe die Bensons eingeladen. Tom Stevens und Cyril Luxton waren zufällig dort, um sich eine Schurschere von Ian zu borgen, und haben sich gleich selbst eingeladen. Ein paar Bierchen umsonst, das lassen sich die beiden natürlich nicht entgehen. Aber ich denke mir, dass vor allem Tess der Grund ist. Hoffentlich endet das Ganze nicht damit, dass sie sich ihretwegen die Köpfe einschlagen, wenn sie sich erst mal ein paar hinter die Binde gekippt haben.«
»Ich werde einen Eimer kaltes Wasser bereitstellen. Für alle Fälle«, meinte Nick. Man konnte hören, dass er dabei grinste.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tess sich für einen von ihnen erwärmen kann«, sagte Ben nachdenklich. Tess schien große Sympathie für Tim zu hegen. Sie war sichtlich bedrückt und enttäuscht, weil er sich nicht mehr meldete.
»Ich kann es ihr nicht verdenken«, erwiderte Nick lachend. »Wäre ich eine Frau, müsste ich ein halbes Fässchen Bier trinken, bevor ich einen der beiden sympathisch finden könnte. Oder besser noch ein ganzes Fass.«
»Hast du in letzter Zeit mal in einen Spiegel geschaut?«, zog Ben ihn auf.
»Nein, weil alle einen Sprung haben, nachdem du das letzte Mal reingeschaut hast«, gab Nick zurück.
Die Brüder lachten.
»Aber ganz im Ernst«, fuhr Ben nach einem Augenblick fort. »Mich wundert’s nicht, dass diese Amerikanerinnen entschieden haben, nicht herzukommen, um Tom und Cyril kennen zu lernen. Das war eine wirklich kluge Entscheidung. Die zwei sind gute Kumpel, aber manchmal muss man sich schon fragen, ob sie zusammen wenigstens ein Hirn haben. Ich gehe jede Wette ein, dass sie von Frauen rein gar nichts verstehen. Ich würde zu gern wissen, was sie den beiden Amerikanerinnen geschrieben haben.«
Nick lachte abermals. »Ja, ich auch. Aber eines muss man ihnen lassen: Für das Grillfest am Samstagabend haben Cyril und Tom sich richtig in Schale geworfen.«
»Ja, aber auch nur, weil Mike ihnen zwei Hemden geliehen und darauf bestanden hat, dass sie saubere Hosen anziehen. Bin gespannt, wie sie heute zur Hochzeit aufkreuzen werden. Aber ich glaube, alle Mühe wäre vergebens. Tess ist einfach viel zu gut für die beiden.«
Tess lächelte, als sie das hörte. Dennoch war sie niedergeschlagen. Sie mochte Tim mehr, als sie zugeben wollte. Ihr einziger Trost war,
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