Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Jackie. Die Aborigines wissen schon, was sie tun.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein!« Jacqueline war fassungslos. »Diese Frau hat dem Jungen absichtlich Verbrennungen zugefügt! Man sollte die Polizei verständigen!«
»Sie hat die Asche bestimmt vom Rand des Feuers genommen, wo sie kalt ist«, versicherte Ben. »Glauben Sie mir, ich lebe lange genug hier, ich habe eine Ahnung von den Sitten und Bräuchen der Ureinwohner.«
Jacqueline presste ärgerlich die Lippen aufeinander.
»Die Aborigines glauben an die heilende Kraft der Asche«, fuhr Ben fort. »Sie behandeln sich erfolgreich selbst – seit tausenden von Jahren.«
Jacqueline schnaubte verächtlich. »Also, ich finde diese Bräuche äußerst primitiv.«
In diesem Moment betrat Sid die Küche. Er hatte Jacquelines Bemerkung gehört und konnte sich denken, wovon sie sprach. Der junge Aborigine warf ihr einen grimmigen Blick zu. Wortlos schenkte er sich ein Glas Wasser ein und ging wieder.
Ben sah Jacqueline an. »Diese Salbe für Ihren Sonnenbrand …«
»Was ist damit?«
»… die ist von den Ureinwohnern hergestellt worden, und sie hat geholfen, oder?«
Jetzt erst fiel Jacqueline auf, dass die Rötung zurückgegangen war und ihre Haut sich nicht schälte. »Ja, das stimmt«, gab sie widerwillig zu.
Ben nickte zufrieden. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Jackie. Sie werden es hier draußen viel leichter haben, wenn Sie sich allem, was die Aborigines betrifft, aufgeschlossen gegenüber zeigen.«
Da sie nichts darauf zu erwidern wusste, verließ Jacqueline ohne ein weiteres Wort die Küche. Für sie stand fest, dass der kleine Junge misshandelt worden war, und niemand würde sie vom Gegenteil überzeugen können.
Sie war gerade im Begriff, die Tür zu ihrem Zimmer zu schließen, als der Apparat, der auf dem Schreibtisch stand, laut zu knistern anfing. Ben hörte es, eilte durch den Flur und klopfte an. Als Jacqueline ihn hereinließ, eilte er an das Gerät, ergriff das Mikrofon und drehte an einem Schalter.
»Hier Wilpena Station, bitte kommen. Over.« Er drückte mit dem Daumen einen Knopf seitlich am Mikrofon. Wieder ein Knistern, dann war die Stimme eines Mannes zu hören. Ben wandte sich lächelnd zu Jacqueline und Vera um, die ebenfalls herbeigeeilt war. »Das ist Mike von Rawnsley Park Station.« Ein freudiges Lächeln huschte über Veras Gesicht.
Inzwischen hatte sich auch Tess zu ihnen gesellt, die von den lauten Stimmen in der Küche geweckt worden war.
Ben setzte sich vor das Funkgerät. »Hallo, Mike, was gibt’s? Over.«
»Könnte ich mit Vera sprechen, Ben? Over.«
»Ja, sicher. Sie steht zufällig neben mir.« Ben winkte Vera zu sich. »Wann lässt du dich denn wieder bei uns sehen? Over.«
»Im Moment sieht’s schlecht aus, weil wir gerade eine Schafherde für den Verkauf zusammentreiben. Over«, antwortete Mike. Seine Stimme klang seltsam blechern.
Vera blickte enttäuscht drein. Sie setzte sich vor das Funkgerät, und Ben zeigte ihr, wie sie es bedienen musste.
»Dann werde ich Sie jetzt allein lassen, damit Sie ungestört reden können«, sagte er.
»Nein, bleiben Sie ruhig«, erwiderte Vera. Sie war sich nicht sicher, ob sie mit dem Funkgerät umgehen konnte. Sie drückte den Knopf, den Ben ihr gezeigt hatte. »Hallo, Mike«, sagte sie hörbar nervös.
»Sie müssen over sagen, wenn Sie auf Antwort warten«, raunte Ben ihr zu.
»Oh. Over.«
»Guten Abend, Vera«, sagte Mike. »Wie geht’s dir? Over.«
»Gut. Mir geht’s sogar ganz wunderbar«, fügte sie lächelnd nach einem scheuen Seitenblick auf Ben, Jacqueline und Tess hinzu. »Over.«
»Vera«, fuhr Mike fort, »ich bin nie ein Mann vieler Worte gewesen, aber ich muss dir etwas Wichtiges sagen.« Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: »Ich finde, wir haben uns gestern Abend wirklich gut verstanden, was meinst du? Over.«
»Ja, das empfinde ich genauso, Mike. Over.« Veras Stimme zitterte.
»Ich habe nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt, aber seit ich dich das erste Mal gesehen habe, habe ich Herzklopfen wie ein Schuljunge.« Mike hoffte inständig, dass Ben nicht in der Nähe war und zuhörte.
Er hatte seine Worte ganz offensichtlich einstudiert. Vera wertete das als Beweis dafür, dass er die ganze Zeit an sie gedacht hatte, und war überglücklich.
»Geht es dir vielleicht auch so? Over«, fuhr Mike fort.
»Ja, Mike, mir geht es ganz genauso«, hauchte Vera. »Over.« Sie sah zu Ben hin und errötete.
Er verstand den Wink. Er nickte
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