Leuchtende Sonne weites Land - Roman
dass sie keine Zeit gehabt hatte, ihre Gefühle zu vertiefen, sonst hätte die Zurückweisung noch viel mehr geschmerzt.
Um Viertel vor eins traf Reverend Meeke ein, der die Trauung vollziehen würde. Er war jung und erst sechs Monate zuvor in Adelaide zum Priester geweiht worden. Die Stelle als Stellvertreter von Reverend Hopkins in der Kirche St. Luke in Hawker war seine erste. Reverend Meeke war ein stiller, einfühlsamer und fürsorglicher Mensch und bei den Frauen sehr beliebt. Da er Schwierigkeiten hatte mit der rauen Art der Männer auf dem Land und ihren teils recht groben Scherzen, war er gleichsam zur Abhärtung in die Berge geschickt worden. Mit Erfolg: Inzwischen zog er sich bei entsprechenden Bemerkungen nicht mehr in sein Schneckenhaus zurück, sondern lachte mit.
Bräute pflegten im Allgemeinen verspätet zu ihrer Trauung zu erscheinen. Nicht so Vera. Sie war so aufgeregt, dass sie lange vor der eigentlichen Zeremonie in die Scheune eilte. Sie trug ein schlichtes knielanges, ärmelloses cremefarbenes Kleid, das sie sich eigens für ihre Hochzeit gekauft hatte. Es betonte ihre schlanke Figur und passte sehr gut zu ihren goldblonden Haaren. Mike strahlte, als er sie erblickte.
Tess und Jacqueline begleiteten ihre Freundin. Tess hatte das butterblumengelbe Kleid angezogen, das sie sich eigentlich für ihre Hochzeit gekauft hatte, weil es ihr einziges wirklich gutes Kleid war. Als Tom und Cyril sie und Jacqueline sahen, sperrten sie Mund und Augen auf und gafften die Frauen ungeniert an, bis Ben sie in die Rippen stieß und strafend ansah.
Die zwei Farmer waren zu Pferd und in ihrer Arbeitskleidung – verdreckten Hosen und ausgeleierten, schmuddeligen, einst marineblauen Unterhemden – gekommen. Beide waren unrasiert und stanken nach Schaf. Sogar ihre Hüte waren zerbeult und speckig. Als Ben sie beiseitenahm und darauf hinwies, dass es angebracht gewesen wäre, vorher zu baden und sich umzuziehen, guckten sie ihn erstaunt an.
»Wozu denn so ein Aufwand?«, meinte Tom. »Bloß weil Mike diese Kleine heiratet, die er praktisch kaum kennt?«
»Kein Wunder, dass ihr immer noch ledig seid«, knurrte Ben.
»Ich weiß gar nicht, was du hast«, erwiderte Cyril beleidigt. »Wir haben den ganzen Morgen gearbeitet.« Da sie sich selten in Gesellschaft von Frauen befanden, war ihr Äußeres normalerweise unwichtig.
Ben schüttelte den Kopf. »Ist euch schon mal aufgefallen, dass mehr Fliegen um euch herumschwirren als um einen Misthaufen?«
»Sind auch nicht mehr als sonst«, brummelte Tom und verscheuchte mit einer lässigen Handbewegung die Fliegen von seinem Gesicht.
»Frauen aus der Stadt mögen keine Fliegen«, sagte Ben und trat ein paar Schritte zurück, als fürchtete er, die üble Dunstwolke könnte an ihm hängen bleiben. Er hatte geduscht und trug saubere Sachen.
»Warum kommen sie dann zu uns aufs Land, wenn sie keine Fliegen leiden können?«, entgegnete Cyril mit seiner Ansicht nach unschlagbarer Logik.
»Genau. Wenn eine Frau einen Farmer heiraten will, dann erwartet sie doch, dass er wie sein Vieh riecht«, ergänzte Tom selbstgefällig.
»Aber nicht auf einer Hochzeit.« Ben sah Nick an und schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er nur seine Zeit vergeudete. Tom und Cyril stierten schon wieder zu Tess und Jacqueline hinüber.
Nick lachte. »Sogar die Schafe rennen vor den beiden davon«, raunte er seinem Bruder zu. »Verdenken kann man’s ihnen nicht.«
Tom und Cyril konnten es kaum erwarten, dass die Zeremonie anfing, weil die Getränke erst nach der Trauung ausgeschenkt wurden. Sie brauchten ein paar Bierchen, um sich Mut anzutrinken, damit sie sich an Jacqueline und Tess heranmachen konnten.
Zwei weitere Viehzüchter kamen herangeritten. Ben war nicht überrascht, sie zu sehen. Sobald sich herumgesprochen hätte, dass sich zwei unverheiratete Frauen auf Wilpena aufhielten, würden sicher noch mehr Männer den Weg auf seine Schaffarm finden.Die Neuankömmlinge wurden herzlich willkommen geheißen. Kurz darauf trafen die Bensons, die nächsten Nachbarn, mit ihrem Pick-up ein. Meryl hatte ein hübsches geblümtes Sommerkleid an und trug Schuhe mit hohen Absätzen. Ian, ihr Mann, sah aus, als wäre er direkt aus einem Schafpferch gekommen. Das war er auch, aber Meryl hatte darauf bestanden, dass er sich wenigstens ein frisches Hemd anzog.
Dann war es endlich so weit. Reverend Meeke bat das Brautpaar, sich bei den Händen zu fassen.
»Du siehst wunderschön aus«, flüsterte
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