Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Freundinnen nicht blamieren wollte, lachte Tim insGesicht, warf die Schachtel achtlos auf den Boden und ließ ihn stehen.
Tim hatte während seiner ganzen Schulzeit nie wieder ein Mädchen angesehen. Nach der Schule zogen die Mädchen entweder fort, um anderswo Arbeit zu suchen, oder heirateten, und Tim hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, eine Frau kennen zu lernen, die ihm geholfen hätte, seine schlechte Erfahrung zu vergessen.
In der Nacht nach seinem ersten Treffen mit Tess hatte Tim kein Auge zugetan. Er musste unentwegt an sie denken. Er wusste, die Gelegenheit, noch einmal einer Frau wie ihr zu begegnen, würde sich nie wieder bieten, und er hatte panische Angst, durch seine Unfähigkeit alles zu verderben. Er fürchtete, dass es schon zu spät war, weil er das Grillfest so überstürzt verlassen hatte, und sah nur noch eine Chance: Er musste ihr irgendwie imponieren. Aber wie?
Tim dachte an seinen Vater, der ein überaus romantischer Mann gewesen war, der seiner Frau oft Blumen mitgebracht oder ihr kleine Gedichte geschrieben hatte. Seine Mutter hatte ihm einige Male erzählt, wie er auf einer Kutschfahrt durch den Londoner Hyde Park um ihre Hand angehalten hatte. Sie war so hingerissen, dass sie gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, seinen Antrag abzulehnen. Diese kleinen romantischen Gesten waren es, die eine Beziehung lebendig erhielten, hatte sie ihrem Sohn mit auf den Weg gegeben.
Eine Kutsche würde er nicht auftreiben können, das wusste Tim, und so war er auf die Idee mit dem Schimmel gekommen. Doch dann war es schwieriger und zeitaufwendiger gewesen, einen Schimmel zu finden, als er gedacht hatte. Und als er Tess mit dem Lasso eingefangen und ihr entsetztes Gesicht gesehen hatte, fühlte er sich wieder wie damals als Dreizehnjähriger vor Lucy Fisher. Eine Sekunde lang hatte er fest damit gerechnet, aufs Neue ausgelacht zu werden.
»Wer hätte das von Tim gedacht«, sagte Ben zu seinem Bruder. Er grinste übers ganze Gesicht. Er freute sich vor allem über die fassungslosen Mienen von Tom und Cyril.
»Ich bestimmt nicht«, erwiderte Nick kopfschüttelnd. »Bist du sicher, dass das Tim Edwards ist und nicht irgendein Doppelgänger, der sich als Cowboy verkleidet hat?«
»Schätze, er will einen edlen Ritter darstellen«, meinte Ben, war sich aber nicht ganz sicher.
Nick zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber er hat sein Mädchen gekriegt, das ist die Hauptsache.«
»Na, ihr zwei, habt ihr gut aufgepasst?«, wandte sich Ben an Tom und Cyril. »So erobert man eine Frau! Und nicht mit einem dreckigen Unterhemd und einem Knuff in die Rippen.«
Cyril machte ein beleidigtes Gesicht, aber Tom schien unbeeindruckt. »Wenn mich eine haben will, dann muss sie mich nehmen, wie ich bin«, maulte Cyril.
»Ja, mich auch«, ergänzte Tom. Kein Mensch würde ihn dazu kriegen, in so einem Aufzug herumzulaufen, nur um Eindruck bei einer Frau zu schinden.
»Tja, warum zieht ihr zwei dann nicht zusammen?«, schlug Nick vor.
Ben lachte laut heraus. Tom und Cyril wechselten einen verlegenen Blick und liefen rot an.
»Heißt das, ich soll noch eine Trauung vollziehen?«, fragte Reverend Meeke.
»Sieht ganz danach aus«, erwiderte Ben.
Tim hatte es gehört. »Vielleicht können Sie mir ja ein Sonderangebot machen, Reverend. Zwei zum Preis von einer«, scherzte er. Sein Selbstbewusstsein hatte gewaltigen Auftrieb bekommen.
Der Reverend lachte. »Ja, warum nicht!«
Jacqueline hielt sich im Hintergrund, als Tim und Tess getraut wurden. Sie freute sich sehr für Vera und besonders für Tess, die ihren Traummann doch noch bekam. Aber das Glück der anderenerinnerte sie auch an ihr eigenes Unglück. Sie dachte an Henry und fragte sich unwillkürlich, ob er seiner Verity schon einen romantischen Antrag gemacht hatte, obwohl er von ihr, Jacqueline, noch gar nicht geschieden war.
Jacqueline ahnte nicht, dass Nick sie beobachtete. Etwas beschäftigte, ja bedrückte sie, das konnte er ihr ansehen, auch wenn sie sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen. Er hätte zu gern gewusst, was hinter dieser hübschen Stirn vor sich ging.
Nach der Trauzeremonie grillte Ben das Fleisch und bewirtete seine Gäste, und Jacqueline ging ihm dabei zur Hand. Sooft einer der Männer mit ihr zu flirten versuchte, ließ sie ihn höflich, aber bestimmt abblitzen. Als sie das Gefühl hatte, dass es nichts mehr für sie zu tun gab, entfernte sie sich unauffällig von der Hochzeitsgesellschaft und ging ins Haus
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