Leuchtende Sonne weites Land - Roman
ich mich auf die Farm konzentrieren kann. Glauben Sie, dass Sie das schaffen?«
»Ich werde es versuchen, Ben«, versprach sie. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihm das schuldig war.
»Das ist die richtige Einstellung. Und jetzt kommen Sie. Gehen wir zurück.« Er stand auf und streckte ihr seine Hand hin.
Sie legte ihre Hand in seine. Sie würde ihn auf seiner schweren Reise begleiten. Das bedeutete aber auch, dass sie sich seinen Söhnen gegenüber bewähren musste. Und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf Wilpena war Jacqueline von ganzem Herzen dazu bereit.
11
Nach der Ankunft in Melbourne mietete Henry im Ambassador Hotel durch Türen verbundene Suiten für sich, Verity und ihren Sohn sowie die Darcys. Eigentlich hätten er und Jacqueline mit dem Zug in die eine Stunde entfernten Dandenong Ranges zu seinem Bruder Philip und dessen Frau Ruth fahren sollen, wo sie wohnen wollten. Doch Henry wusste, er konnte schlecht mit einer anderen Frau und drei ihrer Angehörigen bei ihm auftauchen. Philip war ein eifriger Kirchgänger und ein Mann mit strikten altmodischen moralischen Grundsätzen. Falls er sich nicht radikal geändert hatte, was Henry für unwahrscheinlich hielt, würde er wenig Verständnis dafür zeigen, dass sein Bruder seine Frau während der Überfahrt abgeschoben und sich mit einer anderen eingelassen hatte.
Henry fand erst drei Tage nach seiner Ankunft den Mut, Philip anzurufen.
Philip, der wusste, wann der Dampfer in Melbourne angelegt hatte, war in großer Sorge.
»Ich dachte schon, es sei etwas passiert! Wo bleibt ihr denn, Henry? Ich habe in der Reederei angerufen, aber die konnten mir auch keine Auskunft geben. Ruth und ich haben drei Züge aus Melbourne abgepasst. Wir haben uns große Sorgen gemacht und die ganze Zeit neben dem Telefon gesessen!«
»Entschuldige, Philip, es tut mir wirklich leid. Ich musste mich erst ein wenig erholen.«
»War die Überfahrt so schlimm?«, fragte Philip. Das konnte aber doch kein Grund sein, nicht wenigstens kurz anzurufen.
»Sie war … lebensverändernd«, erwiderte Henry viel sagend. »Es tut mir wirklich leid, dass ihr euch solche Sorgen gemacht habt. Sag mal, würde es dir etwas ausmachen, wenn wir uns morgen hier in der Stadt treffen würden?«
»In der Stadt?«, wiederholte Philip verdutzt. »Habt ihr es euch anders überlegt? Wollt ihr doch nicht hier bei uns wohnen?«
Henry zögerte kurz. »Es hat eine Planänderung gegeben. Das möchte ich aber nicht am Telefon mit dir besprechen. Kannst du morgen herkommen? Allein?«
Philip war verwirrt, aber seine Neugier überwog. »Sicher. Ich werde den Zug nehmen.«
»Wunderbar. Können wir uns um zwölf im Blue Daisy Café in der Bourke Street treffen?«
»Ja, sicher.« Philip kam das alles höchst merkwürdig vor. Irgendetwas stimmte nicht, da war er sich ziemlich sicher. Hatte Henry Eheprobleme oder Geldsorgen? Beides schien ihm eher unwahrscheinlich, aber er wusste nicht, was er sonst denken sollte. »Ist auch wirklich alles in Ordnung, Henry?«
»Ja, ja, alles bestens. Dann bis morgen.«
»Sag mal, in welchem Hotel seid ihr eigentlich abgestiegen?«, fragte Philip schnell, bevor Henry auflegen konnte.
»Äh …«, stotterte Henry verlegen. »Ich … äh … bin im Ambassador.« Er hoffte, Philip war nicht aufgefallen, dass er »ich« gesagt hatte. »Aber wir treffen uns in dem Café in der Bourke Street. Also dann bis morgen, Philip.« Henry legte schnell auf. Er wollte auf keinen Fall, dass sein Bruder vorschlug, ihn im Hotel aufzusuchen.
Das Ambassador war sehr luxuriös und, wie Henry bald feststellen sollte, sehr teuer. Verity und ihre Mutter nutzten vom ersten Tag an sämtliche Einrichtungen, die den Gästen zur Verfügung standen, darunter waren auch ein Kosmetiksalon und ein Swimmingpool. Es schien Verity nicht im Geringsten zu stören, dass die Kosten auf Henrys Zimmerrechnung gesetzt wurden.
Das Abendessen und das Frühstück nahmen sie im Hotelrestaurant ein. Henry hatte noch nie jemanden solche Portionen essen sehen wie die Darcys. Sie bestellten jedes Mal ein Drei-Gänge-Menü und ließen sich zusätzlich morgens Tee und abends eine warme Mahlzeit aufs Zimmer kommen. Henrys Rechnung wurde immer länger.
Verity und ihre Mutter suchten jede Boutique im Umkreis von einer Meile auf und gaben eine Unmenge Geld für Kleider aus. Obwohl er bis über beide Ohren in Verity verliebt war, war Henry angesichts seines schnell schrumpfenden Kapitals klar, dass er bald Arbeit brauchte.
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