Leuchtendes Land
nicht. Ich bin eine verheiratete Frau, kein kleines Kind.« Sie errötete und senkte die Stimme. »Ich habe von diesen Orten gehört. Wie genau sieht es dort aus? Mr. Tanner, ich bestehe darauf, dass Sie es mir sagen. Rasch, bevor Nanny hereinkommt.«
»Sie sollten Clem fragen. Ihm gehört eines davon.«
Sie nahm auf dem billigen, harten Sofa Haltung an. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was genau ist ein Freudenhaus?«
Er hüstelte. »In Ordnung, wenn Sie darauf bestehen. Ein Freudenhaus ist ein vollkommen unmoralischer Ort, wo Männer Partys besuchen, die ich nicht zu beschreiben wage. Sagen wir einfach, dort handelt man mit den Körpern der Frauen. Die Männer stehen dort zu Hunderten Schlange, um mit den abstoßendsten Huren zu schlafen. So, nun wissen Sie es.«
Thora presste die Hände vor der Brust zusammen. »Ich glaube, ich wusste immer, dass es so etwas gibt«, sagte sie nervös, »aber es ist einfach zu furchtbar, um darüber nachzudenken.«
»Das stimmt. Sie brauchen nicht darüber nachzudenken. Nun, Thora, ich sollte jetzt gehen.«
»Bitte gehen Sie nicht, Mr. Tanner«, flüsterte sie, »noch nicht. Sie sagten, Clem gehöre eines dieser Häuser.«
»Ich habe bereits zu viel gesagt. Ich habe mich verplappert.«
»Ist es wahr oder nicht?«
»Versprechen Sie mir, nicht mit ihm darüber zu reden?«
»Natürlich.«
»Gut. Clem gehört das größte …« – »und beste«, lag ihm schon auf der Zunge, er bremste sich aber – »… und schlimmste von ihnen. Es nennt sich
Black Cat
und liegt an der Hauptstraße von Kalgoorlie.«
Thora hatte Mühe, das zu verdauen. Sie wurde sehr still und erhob sich dann. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Mr. Tanner, weil ich Sie zu dieser abscheulichen Unterhaltung genötigt habe, doch was Ihre Anschuldigungen gegen meinen Mann betrifft, so glaube ich Ihnen kein Wort. Verzeihen Sie, aber ich muss Sie bitten zu gehen.«
Ihr plötzlicher Sinneswandel erstaunte und ärgerte ihn. »Schon gut, schon gut. Ich wollte Sie keinesfalls beleidigen. Immerhin haben Sie mich ausgefragt. Ihr Frauen seid alle gleich. Ihr gebt gern das Geld eurer Männer aus, fragt aber nie, woher es stammt.«
»Mein Ehemann hat Gold gefunden.«
»Zum Teufel mit dem Gold! Mit seinen jämmerlichen Goldfunden hätte er weder Ihre Hüte noch Ihren unbegrenzten Aufenthalt im
Palace
finanzieren können. Wann werden Sie endlich erwachsen, Thora? Er ist kein Heiliger.«
Sie bemühte sich, Haltung zu bewahren. »Nur weil ihm eines dieser Häuser gehört, was ich bezweifle, sucht er sie noch lange nicht selber auf. Mein Mann ist anders.«
Tanners Lachen klang grausam. Er wusste, dass Clem diese Frau liebte. Nun war es an der Zeit, die Ehe ein für alle Mal zu zerstören. Dies war die gerechte Strafe für einen Mann, der einen alten Freund betrogen hatte. In seinem Zorn über die ungerechtfertigten Beschuldigungen in der Fälschungsaffäre hatte er sich in die Vorstellung hineingesteigert, er und Clem seien alte Freunde. Dabei hatte er sein Interesse an Clems Frau völlig außer Acht gelassen.
»Das ist richtig«, höhnte er. »Halten Sie sich fein aus allem raus. Sie brauchen ja nicht zu wissen, dass Huren das Geld verdienen, das Sie ausgeben. Und natürlich würde Ihr braver Ehemann keine Hure anrühren! Er war ein guter Kunde, bevor er Jocelyn begegnete!«
»Wer ist Jocelyn?«
»Ha, jetzt interessiert es Sie doch. Sie kennen Jocelyn, meine Liebe, Jocelyn Russell, eine kleine Hure aus York. Sie ist mit Ihnen zur Schule gegangen. In York hat sie als Kellnerin gearbeitet. Sie war mit den jungen Poussierstengeln bestens bekannt.«
»Jocelyn Russell?«, Thora schüttelte den Kopf. Sie wollte nichts mehr hören. Verwirrt wandte sie sich ab, sammelte Plan, Kataloge und die hübschen Muster ein und drückte sie an die Brust, als könnten sie ihr Schutz vor der erbarmungslos auf sie einredenden Stimme gewähren.
»Sie ist seine Lieblingshure«, fügte Tanner hinzu. »Sie hat ihm so gut gefallen, dass er ihr die Leitung des Bordells übertragen hat. Ihre alte Freundin Jocelyn führt ihm die Geschäfte und wärmt ihm das Bett. Dem Boss steht schließlich nur das Beste zu, nicht wahr?«
Thora blieb tapfer. »Mir war nicht klar, was für ein abscheulicher Mensch Sie sind. Verlassen Sie sofort mein Haus.«
Er zuckte die Achseln, nahm seinen Hut und spazierte seelenruhig zur Haustür hinaus.
Als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, rannte Thora ins Badezimmer, ließ Badewasser ein,
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