Leuchtendes Land
Kengallys offensichtlicher Erschütterung.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, erwiderte dieser.
»Das werde ich, Mylord, keine Sorge. Sie können sich auf mich verlassen. In der Zwischenzeit werde ich herausfinden, wer diesen verfluchten Bericht gefälscht hat. Trotz Ihres rührenden Vertrauens in die Moral der Beamten weiß ich genau, wo ich zu suchen habe. Addison war gekauft, Sie Narr, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Price und Deagan wollten unbedingt verkaufen, haben Addison bestochen und dafür gesorgt, dass ich einen positiven Bericht erhielt.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Natürlich. Es ist ja auch viel einfacher, mir die Schuld an allem zu geben. Sie möchten es sich nicht mit Ihrem Freund, dem Minister, verderben, nicht wahr? Hauen wir doch Tanner in die Pfanne. Aber nicht mit mir. Sie sind ganz und gar im Unrecht, und ich werde es beweisen. Und dann haben Sie eine Verleumdungsklage am Hals!«, Edgar stellte erfreut fest, dass Kengally bei dieser Attacke auf den Stuhl gesunken war, konnte sich aber nicht bremsen.
»Von mir aus können Sie den ganzen Tag da sitzen bleiben«, schrie er. »Wenn Sie eine Tasse Tee oder einen Brandy wollen, wenden Sie sich an meinen Sekretär. Sie werden den Tag, an dem Sie mich beschuldigt haben, noch verfluchen! Ihr Ruf! Was ist mit meinem? Wenn alle Welt erfährt, dass Sie sich an die Ehefrau von Clem Price, dem Besitzer der Yorkey-Mine, herangemacht haben, sehen Sie gar nicht mehr gut aus! Den Reportern würde diese pikante Wendung gefallen.«
Tanner nahm seinen Hut von der Garderobe. »Übrigens weiß Clem schon von Thora und Ihnen. Wenn Sie lange genug da sitzen bleiben, erzähle ich Ihnen bei meiner Rückkehr, was wirklich mit Yorkey geschehen ist.«
Lord Kengally nahm den Brandy von Tanners zuvorkommendem jungen Sekretär, der den lautstarken Wortwechsel gehört hatte, an.
»Ist alles in Ordnung, Sir?«, fragte er, als sich Kengally die Stirn mit einem seidenen Taschentuch abwischte.
»Ja, vielen Dank.«
»Wenn Sie noch etwas brauchen, rufen Sie mich bitte.«
»Vielen Dank, ich mache mich gleich auf den Weg. Ich möchte mich nur kurz erholen.«
Er blieb lange auf dem Stuhl sitzen und starrte in den makellos blauen Himmel. Eine Taube ließ sich auf der Fensterbank nieder und gurrte zufrieden, ohne sich durch den Lärm in den Straßen stören zu lassen. Gerald Kengally wünschte, er könnte sich ebenso gelassen wie diese Taube über alles hinwegsetzen.
Eigentlich hatte er diesen Posten gar nicht gewollt, aber seine Freunde hatten ihn dazu überredet. Sie hatten ihn zum Vorsitzenden ihrer Investmentfirmen gewählt und vertrauten blindlings auf seine Fähigkeit, ihre Geschäftsinteressen am anderen Ende der Welt zu vertreten.
Doch warum hatte er diese Aufgabe wirklich übernommen?
Ehrgeiz, sagte er sich, purer Ehrgeiz. Das Geld brauchte er nicht, er wollte sich lediglich in der Finanzwelt einen Namen machen. London war für ihn das Zentrum des Universums, und er hatte sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass jüngere Männer in Bowler-Hüten ihn allmählich verdrängten. Die Goldfelder versprachen eine so gute Ausbeute und waren zwischenzeitlich so berühmt geworden, dass Kengally hoffte, sich durch den Umweg über Australien wieder ins Zentrum des Geschehens katapultieren und gleichzeitig seiner Stimme im Oberhaus mehr Gewicht verleihen zu können. Zuvor hatte er lediglich ein Hinterbänklerdasein geführt. Es war ihm nicht gelungen, ein Thema zu finden, das eines seiner Wissensgebiete berührte. Doch jetzt war er ein erfolgreicher Firmengründer, der dem Mutterland dringend benötigte Goldreserven verschaffte! Würde er nun zurückkehren, dann als Peer, der in dieser riesigen Kolonie unmittelbare Erfahrungen gesammelt hatte.
Daher hatte er Kontakt zu Regierungsmitgliedern aller Parteien aufgenommen und sich mehrfach mit dem Gouverneur, Sir Gerard Smith, und dem Premierminister, Sir John Forrest, getroffen.
Er glaubte, dass entgegen der in Westminster vorherrschenden Meinung die Bildung einer Föderation aller australischen Staaten – oder Kolonien, wie man zu Hause in England zu sagen pflegte – unmittelbar bevorstand. Er freute sich auf seine Rückkehr, wurde sogar aufgeregt, wenn er daran dachte. Er würde sich im Oberhaus erheben und verkünden, dass man sich der Föderation nicht entgegenstellen dürfe, da sie nicht mehr zu verhindern sei. Andernfalls würde Großbritannien Australien genauso
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