Leuchtendes Land

Mädchen, das den Platz an seiner Seite eingenommen hatte.
    »Thora ist weg«, flüsterte sie. »Dr. Carty ist unheimlich wütend.«
    »Weg?«
    »Ja, sie hat einen Freund, und er war nicht eingeladen. Lettice vermutet, sie habe sich fortgestohlen, um ihn zu treffen.«
    »Thora?«, meinte Clem erstaunt.
    »Ja. Sie hat ein Auge auf Matt Spencer geworfen. Kennst du ihn?«
    »Nein.«
    »Sieht nicht übel aus, aber er ist nur Stallbursche in Dr. Cartys Fuhrunternehmen und findet daher vor dessen Augen keine Gnade. Man sagt, der Doktor habe gedroht, ihn auszupeitschen, sollte er sich noch einmal in Thoras Nähe wagen.«
    »Und Thora hat sich mit ihm getroffen?«
    »Ich denke schon. Ich wette, er setzt Lettice und Felicia hart zu, aber aus ihnen wird er kein Wort herausbekommen.«
    Thora kam nicht wieder, und Clem schlenderte in der Hoffnung davon, Lettice würde sich später weiter mit ihm unterhalten, doch er wartete vergebens. Schließlich hielt er es für angebracht, sich von den mittlerweile rauflustig wirkenden Burschen zu verabschieden, von denen manch einer nicht mehr gerade stehen konnte. Er bedankte sich bei seinen Gastgebern und trat – ein Muster an Wohlerzogenheit – mit den Tanners den Heimweg an.
    »Hast du dich amüsiert, Clem?«, fragte Mrs. Tanner.
    »Ja, vielen Dank. Ist Thora zurückgekommen?«
    Sie presste die Lippen aufeinander. »Es steht uns nicht an, darüber zu sprechen.«
    »Oh! Vermutlich nicht«, murmelte er kleinlaut.
    »Mir hat der Abend gut gefallen«, meinte Tanner fröhlich und blieb stehen, um seine Pfeife neu zu stopfen. Clem grinste vor sich hin, denn der Bankdirektor wirkte ein wenig beschwipst.
    »Zu viel Alkohol«, bemerkte seine Frau und schnüffelte missbilligend. »Ich verstehe nicht, warum Menschen Alkohol brauchen, um sich zu amüsieren. Dr. Carty sollte es eigentlich besser wissen.«
    »Komm schon.« Tanner schnaufte vernehmlich. »Es steht uns nicht an, darüber zu sprechen.«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Machst du dich über mich lustig, Mr. Tanner?«
    »Keineswegs, meine Liebe.«
    Ärgerlich beschleunigte sie ihren Schritt. Die beiden Männer gingen ebenfalls schneller, um sie einzuholen. Ihre Schritte hallten laut in der nächtlichen Stille. Als sie in eine Seitenstraße einbogen, schlug ein Hund an, und Tanner bellte zurück. Clem lachte.
    Sie gingen zum Haus des Bankdirektors, das hinter dem Bankgebäude lag. Nun war für Mrs. Tanner die Stunde der Rache gekommen.
    »Du rauchst deine Pfeife hier draußen zu Ende«, wies sie ihren Mann an. »Du weißt, dass ich den Geruch im Haus nicht vertragen kann. Ich wünsche dir eine gute Nacht, Clem, und möchte dir ans Herz legen, so oft wie möglich mit deiner Schwester die Kirche zu besuchen.«
    »Ja, Ma’am, das werde ich tun«, antwortete er, um sie zufriedenzustellen. Ein Kirchenbesuch bedeutete einen Tagesausflug im Pferdewagen von Lancoorie bis York, der kaum Sinn machte, weil an diesem Tag die Geschäfte geschlossen waren. Reiten ging schneller, aber in Sonntagskleidern? Alice wäre entsetzt. Ihm fiel ein, dass sie eigentlich gar keine Sonntagskleider besaß. Darum musste er sich ebenfalls kümmern.
    »Warst du bei Henty?«, fragte Tanner und lehnte sich gegen den Zaun. Bis die Pfeife erlosch, blieb noch Zeit für eine kleine Plauderei. Clem stand auf glühenden Kohlen, denn er wollte auf dem schnellsten Weg ins Hotel zurück. Vielleicht war Jocelyn noch wach.
    »Ja, es ist alles besprochen. Wenn der Grabstein fertig ist, liefert er ihn nach Lancoorie.«
    »Gut. Du solltest im Übrigen nicht zu schlecht von Noah denken, wegen dieser Dora, meine ich. Männer fühlen sich manchmal einsam, und für eine richtige Brautschau fehlte ihm die Zeit. Er war ein guter Mensch.«
    Clem schaute ihn neugierig an. »Ich wusste nicht, dass Sie ihn so gut kannten.«
    »Er hat mir vor langer Zeit einmal einen Gefallen getan. Als ich gerade hier angekommen war.«
    »Was für einen Gefallen?«
    »Ich steckte in Schwierigkeiten, und er hat mir herausgeholfen.«
    »In was für Schwierigkeiten?«, fragte Clem unverblümt. Tanner zögerte kurz und zuckte dann die Achseln. »Geldschwierigkeiten. Spielschulden. Ich hatte mich zeitweise nicht unter Kontrolle, hatte zu viel beim Kartenspiel verloren und konnte das Geld nicht zurückzahlen.« Er redete sich in Fahrt. »Ich stand vor einem ernsthaften Problem, das mich meine Stelle hätte kosten können. Und just im richtigen Augenblick marschierte Noah Price in die Bank. Er kam nur alle