Leuchtendes Land
Sie nicht nach Hause? Das hier ist nicht Ihre Angelegenheit.«
Doch Kengally blieb hartnäckig. »Gibt es hier Frauen, die sich um Mrs. Price kümmern können?«
»Was für Frauen? Du lieber Himmel, das hier ist eine Polizeiwache!«
Ein junger Polizist kicherte. »Sie sitzt mit einer in der Zelle. Die gute alte Maggie Ryan hat es heute nacht wieder erwischt. Schläft ihren Rausch aus.«
Verzweifelt drängte Kengally sich durch die Menge nach draußen und bestieg seine Kutsche. Er spielte mit dem Gedanken, den Gouverneur zu verständigen, doch ihn um diese Zeit zu belästigen, wäre sicher nicht klug. Bis es ihm allerdings gelungen wäre, einen Anwalt und einen Arzt aufzutreiben, hätte der Inspektor sein sogenanntes Verhör längst beendet.
»Er wird es kurz machen«, murmelte er. »Dieser Emporkömmling kann es doch gar nicht erwarten, vor sein Publikum zu treten. Bis morgen früh kann ich nichts mehr unternehmen.«
Er hoffte, dass Thoras Freundinnen ihr frische Kleider und Toilettensachen bringen würden. Er wusste nicht, dass Thora gar keine Freundinnen hatte.
Fred blieb im Krankenhaus nichts mehr zu tun. Die Ärzte operierten Clem die Kugeln heraus. Im Wartezimmer saß nur noch ein dösender Reporter.
Vosper entschloß sich, auf der Wache nach Thora zu sehen. Außerdem wollte er herausfinden, wie es zu diesem Zwischenfall hatte kommen können. Sicherlich hatte sie Clem nicht deshalb angeschossen, weil er ohne sie auf eine Party gegangen war. Es musste mehr dahinterstecken. Auch wollte Fred von ihr wissen, was mit ihrer Tochter geschehen sollte, denn es war offensichtlich, dass sie noch eine Weile im Gefängnis bleiben würde. »Bete, dass er überlebt, Thora«, murmelte er, »sonst landest du im Gefängnis von Fremantle, und das ist die Hölle auf Erden.«
Da er noch eine lange Nacht vor sich hatte, kehrte er ins Hotel zurück, um sich umzuziehen. Als er an sich heruntersah, stellte er traurig fest, dass das weiße Hemd, das Clem ihm geliehen hatte, von dessen Blut befleckt war.
Die Verwüstung ihres Zimmers traf ihn wie ein Schlag. Ungläubig starrte er auf das Durcheinander.
»Wer zum Teufel war das?«, fragte er entsetzt. Vorsichtig stieg er über die überall verstreuten Kleidungsstücke und Habseligkeiten. Als er es unter seinem Fuß leise knacken hörte und den Blick auf den Boden heftete, entdeckte er eine seiner Lieblingsangelruten, besser gesagt, ein Stück davon. Sogar sie war zerbrochen worden. Als er in die Ecke spähte, sah er, dass die Kiste, in der er seinen Revolver aufbewahrte, offenstand.
Er nickte wie betäubt. Nun brauchte er sie nicht mehr zu fragen, woher sie die Tatwaffe hatte.
Wütend stürmte er die Treppe hinunter und riss den Nachtportier, der in seinem winzigen Büro ein Nickerchen hielt, aus dem Schlaf.
»Haben Sie eine Frau in mein Zimmer gehen sehen?«
Der junge Mann spähte schläfrig aus dem Fenster. »Ja, Mrs. Price. Sie wollte oben auf ihren Mann warten. Was ist geschehen, Mr. Vosper? Sie sind ja voller Blut.«
»Holen Sie Ihren Boss!«
»Das geht nicht. Er schläft.«
»Holen Sie ihn, und zwar sofort.«
»Ja, Sir.«
Diese törichte Frau! Fred kochte vor Wut. Kein Wunder, dass Clem ihr keine vernünftigen Antworten abringen konnte. Wie konnte sie es wagen, sich an seinem Eigentum zu vergreifen.
Wie immer war Vosper knapp bei Kasse. Unter anderem hatten ihn finanzielle Gründe dazu bewogen, das Zimmer mit Clem zu teilen. Nun aber wurde ihm klar, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war. Seine Kleider waren zerfetzt; er bezweifelte, ob überhaupt noch irgendetwas davon zu gebrauchen war.
Fred ließ seinen Ärger am Hotelbesitzer aus, der ebenso entsetzt war wie er. »Wer hat das getan?«
»Mrs. Price, würde ich sagen, bevor sie ihren Ehemann niedergeschossen hat. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass mein Hab und Gut, das in meinem Zimmer angeblich sicher aufbewahrt war, quasi mit Ihrer Erlaubnis zerstört wurde. Ich mache das Hotel dafür verantwortlich. Ihr Bursche da hat diese Frau in mein Zimmer gelassen.«
Fred wusste, dass seine Argumentation nicht wasserdicht war, doch brauchte er dringend Geld für neue Kleider. Er machte erneut die Runde durchs Zimmer und bejammerte lauthals seinen Verlust, bis sich der verwirrte Hotelbesitzer entschuldigte und ihm ein neues Zimmer kostenlos anbot.
Über eines schwieg Fred sich jedoch aus – über den Verlust seines Revolvers. Bislang war er der Einzige, der wusste, wo Thora die
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