Leuchtendes Land
Tatwaffe herhatte. Das hieß, er hatte einen enormen Wissensvorsprung vor den anderen Journalisten.
Fred gab sich den Anschein, als hätten ihn die Bemühungen des Hotelbesitzers beschwichtigt, und bot einen Kompromiß an: »Ich nehme an, es ist in Ihrem Sinne, wenn Ihr Hotel heute noch nicht in den Zeitungen erwähnt wird. Polizei und Presse werden Ihnen ansonsten sofort die Bude einrennen, um die Verwüstung zu besichtigen, die Mrs. Price angerichtet hat, bevor sie versucht hat, ihren Mann umzubringen.«
Der Hotelbesitzer sah sich unglücklich um. »Gott bewahre! Mr. Vosper, ich wüsste es zu schätzen, wenn Sie das hier vertraulich behandeln würden.«
»Sie können sich auf mich verlassen. Allerdings muss ich diese Klamotten loswerden. Könnten Sie mir anständige Kleidung besorgen?«
»Wird gemacht.«
Später saß Fred in geborgten Kleidern in seinem neuen Zimmer und machte sich Notizen auf hoteleigenem Briefpapier. Diese Geschichte war nicht nur von lokalem Interesse. Er konnte sie auch an die Zeitungen im Osten verkaufen, vielleicht sogar bis nach London. Und es würde nicht bei ein oder zwei Artikeln bleiben, nein, er würde eine Serie daraus machen und alles von Anfang an erzählen. Skandalgeschichten wie diese wurden von den Lesern förmlich verschlungen.
Zunächst machte er sich auf zur Wache, wo sich noch immer ungewöhnlich viele Polizisten aufhielten, und bat um die Genehmigung für einen Besuch bei Mrs. Price.
»Keine Reporter, Mr. Vosper. Strikte Anweisung von oben«, sagte ein Sergeant.
»Ich bin kein Reporter. Meine Zeitung habe ich verkauft. Ich bin als persönlicher Freund von Mrs. Price hier. Wie geht es ihr?«
»Sie wirkt völlig betäubt. Der Chef konnte nichts aus ihr herausholen. Er weiß nicht mal, woher sie kommt, hat den Reportern aber den üblichen Stuß über eifersüchtige Ehefrauen erzählt, die die volle Kraft des Gesetzes zu spüren kriegen. Ich wollte ihm erklären, dass sie allem Anschein nach gar nicht den Ehemann erschießen wollte, doch er hat nicht zugehört. Hatte sich schon alles zurechtgelegt.«
Fred war hocherfreut. Je hartnäckiger der Chefinspektor an seiner Geschichte festhielt, desto größer war Vospers Chance, mit der Wahrheit groß herauszukommen. »Wie heißen Sie?«, erkundigte er sich. »Ich kenne Sie irgendwoher, Sergeant.«
»John Bonnington. Meine Freunde rufen mich Bonney. Ich war bei Ihrer Kundgebung. Gehöre zum Komitee, das eine Polizeigewerkschaft gründen will.«
»Ausgezeichnet. Sie werden auf Widerstand stoßen, aber eine Polizeigewerkschaft ist unverzichtbar. Machen Sie weiter so. Jetzt aber … ich bin ein Freund von Thora und Clem Price.«
Bonney grinste. »Sie heißt also Thora. Schon ein Anfang, was? Der Boss hat nicht einmal das herausgefunden. Meine Zeugen behaupten, sie habe ›Jocelyn‹ gerufen. Wissen Sie, wer das ist?«
»Ich habe darüber nachgedacht, und mir ist eine Idee gekommen, die mir plausibel erscheint.«
»War sie auf der Party?«
»Nein. Lassen Sie mich zu Thora rein, und ich liefere Ihnen den Hintergrund, bevor irgendjemand sonst ihn erfährt. Wie wäre das?«
»Abgemacht. Aber nur, wenn sie wach ist. Scheint eine nette Frau zu sein und hübsch ist sie noch dazu. Hat ein bisschen Ruhe verdient.«
Er nahm die Schlüssel und führte Fred die Hintertreppe hinunter.
Thora saß in der kalten Zelle steif auf einem Stuhl, den Mantel eng um sich geschlungen, und schaute nicht einmal auf, als Fred eintrat.
»Sie sollten sich ausruhen, Thora«, sagte er sanft. »Legen Sie sich hin.«
Als sie nicht antwortete, ließ er sich auf der Pritsche nieder und sah sie an. »Ich bin Fred Vosper. Sie erinnern sich an mich? Ich möchte Ihnen helfen. Sie gehören nicht hierhin. Ich werde versuchen, Sie herauszuholen. Dürfte ich Ihnen eine Tasse Tee bringen?«
Er ergriff ihre Hand. Mit der fahlen Haut und den zerzausten Haaren sah sie furchtbar aus, doch Fred hatte schon viele Gefangene gesehen und war daher von ihrem Anblick nicht allzu schockiert.
»Fred«, fuhr er beharrlich fort, »wir haben uns im
Palace
gut amüsiert. Sie sahen wunderbar aus, waren die schönste Frau von allen.«
Thora nickte. »Ja. Fred.« Ängstlich umklammerte sie seine Hand. »Wo ist Clem? Bringen Sie ihn zu mir? Ich mag sein Hotel nicht. Es ist schrecklich. Ich möchte nach Hause. Sagen Sie Clem, dass ich Furchtbares durchgemacht habe. Sehen Sie sich nur meinen Mantel an, er ist völlig ruiniert.«
Sie erhob sich. »Vielen Dank für Ihren
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