Leuchtendes Land
mit äußerster Sorgfalt vorgehen.
Über ihr schien ein kalter Mond, und die Sterne glitzerten wie Stecknadelköpfe. Sie erinnerten Lillian daran, dass sie sich darüber klarwerden musste, was mit Robert nicht stimmte. Er hatte kein Wort über den Vorfall verloren und war allmählich wieder in seine frühere Lethargie versunken. Ganze Tage verbrachte er in der Bibliothek oder im Rosengarten. Ab und zu beriet er sich mit Jordan über die Leitung der Farm. Da nichts Ungewöhnliches passierte, konnte Lillian sich ihr Unbehagen nicht erklären, doch irgendetwas lag in der Luft, wenn Robert in der Nähe war, irgendetwas, das ihr kleine Nadelstiche zu versetzen schien. Sie versuchte, es als Einbildung abzutun.
Auch der nächste Tag versprach wieder heiß zu werden. Der Sommer hatte mit aller Macht eingesetzt. Lillian war zum Fluss gegangen, weil dort eine leichte Brise wehte. Sie wünschte, sie könnte die Kleider ablegen, vor allem das verfluchte Korsett, und sich ins Wasser stürzen, wie sie es in jenen Tagen getan hatte, als sie noch frei von Sorgen mit ihren Eltern auf Schaftrieb gewesen war.
So heiß es auch sein mochte – in Minchfield House schwamm niemand im Fluss. Robert missbilligte derartige Vergnügungen ebenso, wie Miss Lavinia es getan hatte.
Er hasste den Sommer. Vielleicht war dies der Grund für sein seltsames Verhalten. Trotz der Hitze bestand er darauf, sich wie ein Gentleman zu kleiden, sprich, Krawatte, Weste und Jackett anzuziehen. Darunter trug er noch ein seidenes Hemd und Flanellunterwäsche. Selber schuld, dachte Lillian.
Am folgenden Tag las sie einen Artikel über Chefinspektor Smythe, der die Publicity zu genießen schien, die ihm der Fall Price verschaffte, und einen Kommentar von einem Mann namens F. C. B. Vosper, der Thora zu einer Art heiliger Johanna stilisierte. Er behauptete, sie würde von einer sensationslüsternen Öffentlichkeit mit Schmutz beworfen, habe in Wirklichkeit jedoch einen Nervenzusammenbruch erlitten und sei nicht für ihre Taten verantwortlich.
»Wiederhole das, wenn man mit einer Waffe auf dich zielt«, knurrte Lillian. »Dann wird dir die Klugscheißerei schon vergehen.«
Sie las, dass Clem und Thora sich getrennt hatten. Sie hatte im
Palace
gewohnt, er im
United Services Hotel
.
»Ich wette, an diesem Punkt kommt Jocelyn ins Spiel.« Sie lächelte. »Clem hatte bestimmt eine Geliebte.«
Dann fiel ihr Blick auf eine andere Meldung. Eine Goldmine namens Yorkey, die dem Verletzten und seinem Partner gehört hatte, war unter mysteriösen Umständen versiegt. Lord Kengally hatte im Namen der jetzigen Besitzer Klage gegen einen Mr. Edgar Tanner wegen Fälschung und Betrugs erhoben. Bisher hatte Mr. Tanner sich jedoch den polizeilichen Ermittlungen entzogen. Man bemühte sich, jeden Schatten eines Verdachts von Clem Price abzuwenden.
»Das passt auch nicht zu ihm«, bemerkte Lillian. Sie hätte ihn gern im Krankenhaus besucht, um sich zu bedanken, doch es hatte keinen Sinn, auch nur darüber nachzudenken. Robert wäre außer sich. Außerdem gehörte Clem Price, sollte er denn überleben, dem feindlichen Lager an, da er Lydia inzwischen als seine Tochter betrachtete.
»Held oder nicht, deine Frau ist jedenfalls verrückt. Ihr werdet mein Kind nicht behalten. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Caroline es einmal besser haben würde als ihre Schwester. Immerhin ist ihre Mutter keine Kriminelle.«
Drei Wochen waren vergangen. Weder Robert noch Lillian hatten Lillians Scheidung je wieder erwähnt. Sie wartete darauf, dass er sich wieder beruhigte. Wie alles, was Robert betraf, brauchte auch dies seine Zeit.
Eines Morgens – er hatte gerade seine Nierchen mit Speck gegessen – lehnte er sich zurück und sagte: »Du hast die Köchin gut ausgebildet, Lillian. Das Frühstück ist eine wahre Wonne. Die Nieren sind einfach köstlich, und die Soße genauso leicht, wie sie zu dieser frühen Stunde sein sollte. Ich habe mit dir zu reden.«
»Sicher, Robert. Noch Kaffee?«
»Bitte. Und einen Hauch Sahne.«
Lillian wartete.
»Ah, wunderbar«, sagte Robert, nachdem er an seinem Kaffee genippt hatte. »Ich muss dir gratulieren, meine Liebe. Deine Menüs werde ich wirklich vermissen. Ich habe mich nämlich entschlossen, für eine Weile wegzufahren. Ich reise recht gern.«
»Das wusste ich nicht.«
»Reisen erweitert den Horizont. Ich interessiere mich für die schönen Künste und werde eine Studienreise unternehmen, nach Europa.«
»Nach
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