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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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der Regenfälle in den vergangenen Jahren gestoßen. Selbst wenn man die Verdunstung berücksichtigte, ließ sich ein Stausee sicherlich unterhalten.
    Er zuckte die Achseln und ging zum Wollschuppen, um die Ballen für den Transport vorzubereiten. Noch eine andere wichtige Frage quälte ihn: Weizen? Die Jahreszeiten trugen hier die Namen Sommer, Winter und Hölle. Die Hölle war der Hochsommer, wenn die Temperaturen über die Vierzig-Grad-Marke stiegen und Staubstürme, Blitze und Feuer das Regiment übernahmen. Aus dem Busch konnten ohne Vorwarnung hohe Flammen emporschießen. Die Farmer mussten hilflos zusehen, wie die Feuer wüteten und schließlich wieder von selbst erloschen. Clem hatte selbst schon Weizenfelder abbrennen sehen und bemitleidete die Farmer. Die ganze Arbeit für nichts. Und jedes Jahr saß einem aufs Neue die Angst in den Knochen.
    Alice kam, um ihm zu helfen. Während sie auf ihn zuhinkte, steckte sie ihre langen Haare hoch und band sich ein kariertes Tuch um den Kopf.
    »Weißt du, Alice«, sagte er müde wie ein alter Mann, »ich hätte nichts dagegen, all das hier zu verkaufen und nach Perth zu ziehen.«
    »Was sollen wir in Perth?«
    »Da liegt das Problem. Ich weiß es nicht. Aber ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, mir bis ans Ende meines Lebens den Rücken kaputt zu roden, nur um ihn mir bei der Schur noch ganz zu ruinieren.«
    Sie lachte. »Mehr Schafe bedeuten mehr Geld, und Geld ist Sicherheit, sagt man. Ich bin nicht scharf darauf, Lancoorie zu verkaufen, und glaube, später würde es uns noch leid tun … Aber, Clem, ich würde so gern einmal nach Perth fahren. Man sagt, es sei eine schöne Stadt geworden, das Juwel des Westens.«
    Clem schaute seine Schwester überrascht an. Es passte nicht zu ihr, solche Träume, überhaupt irgendwelche Träume zu hegen. Alice war zu schwerfällig, zu sachlich, zu konventionell, um zu träumen. Er spürte eine Welle von Zärtlichkeit in sich aufsteigen und freute sich, dass sie ihn ins Vertrauen gezogen hatte. Schließlich hatte sie mit ihrem Fuß keine allzu großen Heiratschancen, und er vermutete, dass sie ihr Leben mit ihm verbringen werde. Daher war es seine Pflicht, sich um sie zu kümmern.
    »Wir fahren demnächst hin, Al«, sagte er und kam sich vor wie ein galanter Ritter. »Wir beide fahren dorthin und machen Ferien.«
    »Wo werden wir wohnen?«
    »In einem Hotel, dem
Grand Hotel
. Und dann schauen wir uns das Meer an. Wir haben es nicht mehr gesehen, seit wir damals von Bord gegangen sind. Wie würde dir das gefallen?«
     
    Alice liebte Lancoorie und das Leben in dieser atemberaubenden Weite. Sie war seinerzeit alt genug gewesen, um sich an die bittere Kälte und Feuchtigkeit ihres alten Hauses in England zu erinnern – und an die ständigen Kämpfe und Auseinandersetzungen ihrer Eltern. Die Idee auszuwandern stammte nicht von Noah, nein, Lottie Price hatte nach Westaustralien gewollt. Sie hatte in einer Zeitschrift darüber gelesen und ihr Herz an die Vorstellung gehängt, in einem sonnigen Klima zu leben. Noah hatte versucht, ihr zu erklären, dass Australien in Wirklichkeit bei weitem nicht so traumhaft war, wie sie glaubte, doch sie hatte nicht auf ihn hören wollen. Sie nicht. Lottie hatte es sich in den Kopf gesetzt auszuwandern. Es war etwas Großartiges, mit dem sie ihre Nachbarn in den Schatten stellen würde. So dachte sie jedenfalls. Alice wusste, dass dies der Kern der Sache gewesen war und nicht die Frage, ob sich ein so einschneidender Schritt überhaupt lohnte. Lottie hatte lediglich angeben wollen. Sie hatte sich nicht die Möglichkeit entgehen lassen wollen, Freunden und Verwandten zu schreiben, wie viel besser es ihr doch ging.
    Grandma hatte es ihr offen ins Gesicht gesagt. »Du bist eine hinterlistige Frau, Lottie. Egal, wie gut oder schlecht es dir ergehen wird, du wirst uns das Leben jenseits des Meeres in den leuchtendsten Farben schildern. Du scherst dich keinen Deut um deine Kinder und deinen Mann. Und du hast einen ordentlichen Mann, der gut für seine Kinder sorgt. Deine kleinen Bälger werden aufwachsen, ohne ihre Großeltern zu kennen, und ich sage, das ist falsch.«
    »Noah muss die Entscheidung treffen«, hatte Lottie sich gewehrt.
    »So nennst du das also? Quälst den armen Mann Tag und Nacht, schmollst, bekommst regelmäßig deinen Koller. Ich habe dich durchschaut, meine Liebe. Seit Alice auf der Welt ist, hast du gejammert, dich für sie geschämt und geglaubt, dass dich die Leute wegen

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