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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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ihres schlimmen Fußes verachten.«
    Alice hörte, wie ihre Mutter mit den Pfannen klapperte, um damit die Stimme der Großmutter zu übertönen. »Du willst im Rampenlicht stehen, meine Liebe, und meidest das Kind, weil …«
    »Halt den Mund! Halt den Mund!«, kreischte Lottie. »Lass mich in Ruhe. Du bist nur eifersüchtig, jawohl!«
    Alice krümmte sich draußen vor dem Fenster. Sie hatte immer gewusst, dass ihre Mutter sich ihrer schämte, stets ein Stück vor ihr herging, als wolle sie nichts mit ihr zu tun haben. Es war auch ihre Idee gewesen, ihrer Tochter überlange Röcke zu nähen. Das alles konnte Alice verstehen, es machte ihr nichts aus. Doch es verletzte sie, dass ihre Großmutter es so offen aussprach. Gedemütigt kauerte sie sich an die Wand.
    Lottie bekam ihren Willen, und sie packten die Sachen für die Seereise zusammen. Noah konnte es mit seiner Frau damals ebenso wenig aufnehmen wie Jahre später mit Dora. Er war ein starker Mann mit festen Ansichten, konnte sich jedoch bei den Frauen, die das Bett mit ihm teilten, nicht durchsetzen.
    Alice hasste die Frau, die ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter ins Haus gebracht hatte, noch mehr als Clem, hielt aber ihre Zunge im Zaum, da sie die Gefahr erkannte. Noah hatte sich von seiner Familie losgesagt, weil seine Frau es so gewollt hatte. Für Dora würde er dasselbe tun, falls ihn seine erwachsenen Kinder vor die Entscheidung stellten. Und gab ihr dieses ungeheuerliche Testament nicht nachträglich recht? Alice bewegte sich flink durch den Schuppen, öffnete die Fensterläden aus Baumrinde und sicherte sie mit Stöcken. Dabei nickte sie immer wieder mit dem Kopf. Für seinen geschickten Schachzug würde sie Clem auf ewig dankbar sein. Er hatte das Problem, das eigentlich nicht durch Dora, sondern durch ihren Vater entstanden war, gelöst. Sie fragte sich, ob er sich später wohl auch von einer Frau auf der Nase herumtanzen lassen würde wie einst Noah. Hoffentlich nicht. Obwohl sie davon träumte, dass sie eines Tages ein hübscher Freier vom Fleck weg heiraten würde, wusste sie doch insgeheim, dass ihre Heiratschancen äußerst begrenzt waren. Sollte Clem eine Frau mit nach Hause bringen, befände sie sich wieder in der gleichen Situation wie noch vor kurzem. Doch nun gehörte ihr Lancoorie zur Hälfte, sie war eine begüterte Frau und fest entschlossen, dies auch zu bleiben.
    Sie hatte diese Farm von Anfang an geliebt, obwohl sie bis zur Fertigstellung des Hauses in einem Zelt hatten leben müssen. Clem und ihr hatte das nichts ausgemacht. Es hatte sogar Spaß gemacht, und das Zelt war auf jeden Fall besser gewesen als das erste düstere Farmhaus, in dem es gestunken hatte und Ratten gehaust hatten. Nichts würde jemals die Erinnerungen an jenen ersten Morgen auf Lancoorie zerstören. Als sie damals erwacht war, war alles ruhig gewesen. Noah hatte sich in der Nähe aufgehalten, Clem noch geschlafen. Alice war im flirrenden Morgenlicht aus dem Zelt getreten. Was für eine wunderbare Wandlung hatte der Busch, den sie nach der ermüdenden Wagenfahrt über die Ebenen nach Osten bereits gut kannte, durchlaufen! Er bildete einen einzigen bunten Teppich, der sich in alle Richtungen erstreckte. In diesem Land, wo alles auf dem Kopf stand, entfaltete der Frühling im September seine Pracht. Überall blühten Wildblumen – gelb und rosa, purpurn und blau in unzähligen Nuancen –, die das öde Unterholz in ein Märchenland verwandelten.
    Voller Freude war das Mädchen in seinem weißen Nachthemd und mit wehenden Haaren in diese Schönheit hineingelaufen, mitten in dieses romantischste, herrlichste Ereignis seines Lebens.
    Und seither hatte sie auch nichts Schöneres erlebt, dachte Alice. Inzwischen kannte sie die Namen all dieser zarten Blumen, die gefransten Lilien, die Korallenreben, die Königin-von-Saba-Orchideen, die wilden Gladiolen und die anderen … die ganze Blütenfülle des australischen Westens. Jedes Jahr freute sie sich auf deren Wiederkehr. Tausende von Blumen wuchsen im Busch. Selbst wenn man einen ganzen Korb voll pflückte, um sie mit ins Haus zu nehmen, wäre das nicht weiter aufgefallen. Jahr für Jahr lächelten sie einen an und ließen einem warm ums Herz werden. Selbst nach dem Roden tauchten die schelmischen Farbtupfer wieder neben den sandigen Straßen auf. Wenn Alice sie erblickte, vermeinte sie die Stimme der kleinen Strolche triumphieren zu hören: »Da sind wir wieder.«
    Die einheimischen Frauen brüsteten sich oftmals mit

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