Leuchtendes Land
dieses Lob den nötigen Schwung für den nächsten Schritt. Bisher hatte sie nur zaghafte Erkundigungen beim Fährmann eingezogen und endlose Listen aufgestellt, bei denen nichts Handfestes herausgekommen war.
Nun fühlte sie sich bestätigt. Inzwischen kamen die Frauen fast täglich. Sie wirkten noch begeisterter als Lavinia selbst und halfen ihr, alles minutiös zu planen. Nach diesen Treffen strahlte die frischgebackene Wirtin über das ganze Gesicht. Sie hatte nicht nur eine neue Aufgabe, sondern auch Freunde gefunden.
Das Wohnzimmer verwandelte sich in einen eleganten Teesalon. Die kleinen, zierlichen Tische wurden mit gestärkten, weißen Servietten geschmückt, da Lavinia auf keinen Fall wollte, dass der Salon irgendwie rustikal aussah. Sie besprachen gerade das Eröffnungsdatum, als Lil die Ladung zum Prozess gegen Mrs. Thora Price erhielt.
Ihr sank das Herz. Sie hatte gebetet, man möge sie vergessen, doch es hatte nicht sein sollen. Der lange gefürchtete Augenblick war da, und sie wagte nicht, die Ladung zu ignorieren. Nun musste sie Lavinia nicht nur um Urlaub bitten, sondern ihr auch den Grund dafür angeben, was wiederum einem Eingeständnis der Tatsache gleichkam, dass sie mit Robert einen Ball besucht hatte.
»Nun gut, ich werde in Merles Pension ziehen und mir von dort aus eine neue Stelle suchen«, dachte sie.
Schließlich nahm sie allen Mut zusammen und bat Lavinia, ihr ein paar Tage freizugeben.
»Es geht um den Prozess, nicht wahr?«, fragte diese kalt.
Lil zuckte zusammen. »Ja, Ma’am.«
»Du brauchst mich nicht so dumm anzuschauen. Ich weiß Bescheid. Die Leute reden. Man riet mir sogar, dich zu entlassen, damit ich nicht in den Skandal verwickelt werde. Sollte ich das deiner Meinung nach tun?«
»Ich hoffe, sie werden es nicht tun, Ma’am. Ich arbeite gern hier.«
»Ja. Deine Leistungen beweisen es. Und ich brauche deine Unterstützung für mein neues Unternehmen.« Sie vertrieb eine Fliege von der Glastür und schloß diese dann fest. »Mir scheint, die Warburtons haben für ihre eigenen Skandale gesorgt, lange bevor du überhaupt zu uns gekommen bist. Ich selbst bin ein lebendiger Skandal.«
»Oh, Madam, das ist nicht wahr.«
»Ach nein? Meinst du, die Leute vergessen, dass ich in die Irrenanstalt eingeliefert worden bin? Oh, nein. Deshalb kann ich hier auch nicht zurückgezogen leben. Ich gelte als die Irre von Minchfield! Wenn alle mich sehen, und zwar in der Öffentlichkeit, habe ich eine Chance, den guten Namen der Warburtons wiederherzustellen.«
»Oh!«, Lil war von Lavinias Argumentation beeindruckt, aber zu nervös, um etwas dazu zu sagen. Die Unterredung war noch nicht vorüber.
»Du bist nur knapp dem Tod entronnen«, sagte Lavinia naserümpfend. »Schade, dass sie meinen Bruder verfehlt hat. Du musst tun, was zu tun ist. Und jetzt möchte ich nichts mehr davon hören. Komm so bald wie möglich zurück.«
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14. Kapitel
N achdem die Siegesfeiern vorüber waren, wurde Fred durch zahlreiche Zusammenkünfte mit Wählern und Delegationen auf Trab gehalten, obwohl die Parlamentssitzungen erst in einigen Monaten beginnen würden. Auch zerbrach er sich über seine Jungfernrede den Kopf. Alle paar Tage schrieb er sie um, wütend, dass ihm, dem professionellen Schreiberling, anscheinend nichts gelingen wollte.
»Es ist viel einfacher, für andere Reden zu schreiben«, erklärte Fred. »Früher habe ich immer gewusst, was Politiker sagen müssen.«
Dennoch hatte er die Familie Price und Thoras Brief nicht vergessen. Er suchte das Cottage auf, um Alice Gunne, der ursprünglichen Adressatin, den Brief zu übergeben, fand das Haus aber verschlossen vor. Seine Anfrage im
Palace
ergab, dass Mr. und Mrs. Gunne heimgekehrt waren. Das erleichterte Freds Gewissen. Ihm war schon lange klar, dass Alice keine Sympathien für Thora hegte. Es würde Thora nicht helfen, wenn Alice den Brief bekäme. Alice war fest davon überzeugt, dass Thora wahnsinnig war.
Schließlich entschied Fred, dass Clem den Brief lesen sollte. Es war wichtig, dass er mehr darüber erfuhr, was in Thora vorging. So würde er ihre Motive besser verstehen können. Hoffentlich würde er sanft mit ihr verfahren.
Fred hatte Thora besuchen wollen, um sich zu entschuldigen, dass er sich so lange nicht hatte blicken lassen, doch man teilte ihm mit, dass nur ihr Anwalt sie aufsuchen dürfe. Trotz seiner Proteste schickte man ihn unverrichteter Dinge weg. Allerdings hatte er bei dieser Gelegenheit erfahren,
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