Leuchtendes Land
nicht bemerkt hatten, so routinemäßig wurde die Anklage verlesen. Und trocken sollte es auch weitergehen. Bis zum Nachmittag war die Verhandlung beinahe uninteressant. Die Anklage legte den Fall dar und rief ihre Zeugen auf – und die Verteidigung schien angesichts der erdrückenden Faktenlage kein Bein auf den Boden zu bekommen. Fred fand Conways Eröffnungsrede schwach. Der Anwalt schwadronierte über Thoras guten Namen und erzählte, was für eine nette Frau und liebevolle Mutter sie sei.
Nachdem am nächsten Morgen die Vertreter der Polizei ausgesagt hatten, wirkte Thora entspannter, da sie die erste Nervenprobe ohne Zwischenfälle überstanden hatte. Dann jedoch wurde Mr. Clem Price in den Zeugenstand gerufen. Sie presste die Hände vor den Mund und sah ihn flehentlich an. Doch was konnte er tun, außer ihr liebevoll zuzulächeln und weiterzugehen.
Sie weinte, während er die Fragen des Staatsanwalts steif und korrekt beantwortete, ohne sich zu irgendeinem Kommentar hinreißen zu lassen. Erstaunlicherweise verzichtete die Verteidigung darauf, Clem zu befragen, so dass seine Vernehmung schnell über die Bühne war. Seine Aussage hatte keine neuen Erkenntnisse geliefert.
Erst als Mrs. Cornish den Zeugenstand betrat, wurde das Publikum wieder munter. Den Geschworenen wurde mitgeteilt, dass Mrs. Price die Zeugin kannte und eine ihrer Zwillingstöchter kurz nach deren Geburt adoptiert hatte. Doch Mrs. Cornish war keine vorbildliche Zeugin. Entgegen den Anweisungen des Richters, nicht vom Thema abzuschweifen, beharrte sie darauf, dass alles nur ein Missverständnis sei.
Der Verteidiger verfolgte eine andere Strategie als der Staatsanwalt. Conway nagelte Mrs. Cornish nur bei einem Punkt fest.
»Hat diese arme Frau tatsächlich ihr Baby verloren? Wurde es tot geboren?«
»Ja.«
»Das muss ein furchtbarer Schlag für eine Frau sein, nicht wahr?«
»Selbstverständlich. Ihr ging es nicht gut. Sie war außer sich.«
»Und stimmt es, dass man Mrs. Price sagte, Ihr Baby sei ihr eigenes Kind?«
»Ich denke schon.«
»Und doch wusste sie unterschwellig, dass dem nicht so war.«
»Wirklich?«
»Das kann ich Ihnen versichern. Ihre Familie drängte sie jedoch, dieses Kind als ihr eigenes anzunehmen. Sie sind selbst Mutter: Wären Sie unter diesen Umständen verwirrt?«
»Ja.«
»Und aufgebracht?«
»Ja.«
»Wir haben es also mit einer jungen Frau zu tun, die verwirrt und aufgebracht ist und eine Last mit sich herumschleppt, die ihr in der Vergangenheit aufgeladen wurde. Stimmt das?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Oh doch, das wissen Sie. War Ihnen nicht bekannt, dass Mrs. Price zur Zeit ihrer Eheschließung schwanger war? Dass ihre Familie sie zu dieser Hochzeit gezwungen hat?«
Conway nahm Lil unerbittlich in die Zange und rang ihr schließlich das Zugeständnis ab, dass Thora ein Opfer sei. Fred nickte zustimmend und fragte sich, ob Conway mit dieser Taktik durchkommen würde.
Thora war so schockiert, dass sie das Weinen vergaß, doch auf ihren Wangen erschienen zwei rote Flecken. Schamhaft sah sie zu Boden.
Nun ging Conway zum Angriff über. Er holte Alice in den Zeugenstand, vermutlich, weil sie Thoras guten Ruf untermauern sollte, doch Alice erwies sich als schlechte Zeugin. Ihre Abneigung gegen Thora war allzu offensichtlich.
Wie dumm von ihm, sie vorzuladen, dachte Fred, doch schon bald hatte Conway sie so weit, dass sie zitternd auf ihrem Stuhl saß. »Haben Sie Mrs. Price je gesagt, dass Lydia nicht ihr Kind war?«
»Nein.«
»Sie haben versucht, diese verängstigte Frau, die unter Zwang in Ihr Haus gebracht worden war, noch mehr durcheinanderzubringen. Die mit anderen Worten abgeschoben worden war.«
»Nein, so war es nicht. Wir wollten nur das Beste.«
»Und ihr Ehemann ließ sie mehr als ein halbes Jahr allein mit Ihnen auf dieser gottverlassenen Farm?«
»Ja, aber …«
»Eine jungverheiratete Frau, nicht an ein Leben in der Einsamkeit gewöhnt, in einer gutbürgerlichen Familie aufgewachsen, wurde einfach auf Ihre Farm verpflanzt. War sie dort glücklich?«
»Nicht wirklich, aber …«
Conway wandte sich an die Geschworenen. »Meine Herren, allmählich bietet sich uns die andere Seite der Medaille dar. Sie haben natürlich das Recht zu fragen, was eine junge Dame zu dieser Tat bewegt hat. Das müssen Sie auch. Einige von Ihnen sind selber Väter. Wäre dies Ihre Tochter, würden Sie als Erstes nach ihrem Motiv fragen.«
Alice wurde entlassen. Mit unsicherem
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