Leuchtendes Land
kritisierte, und sie musste auch nicht mehr Noahs Gereiztheit ertragen, wenn sich Dora bei ihm über die Faulheit seiner Tochter beschwert hatte. Seltsamerweise hatte sich ihre Haltung völlig gewandelt. Sie ging entschlossen an die Arbeit und schaffte sie in der Hälfte der Zeit, die sie früher aufgewendet hatte. Sie war stolz auf das blitzblanke Haus und betrachtete dessen Sauberkeit als Tribut an ihren neuen Status.
Clem hatte beiläufig erwähnt, er wolle in das größere Schlafzimmer ziehen, das Noah früher bewohnt hatte. Sanft, aber bestimmt hatte Alice die Angelegenheit ins Komische gezogen und vorgeschlagen, sie sollten eine Münze werfen. Sie hatte gewonnen. Das größte Schlafzimmer gehörte nun ihr, und Clem hatte ihr das kleine Erfolgserlebnis gegönnt.
»Ist schon recht«, hatte er gesagt und die Sache vergessen. In Alice hingegen, die den Raum gründlich gescheuert und gelüftet hatte, wuchs die Entschlossenheit, mehr zu sein als Clems unverheiratete Schwester.
Die beiden Farmarbeiter – sie weigerte sich, die Männer als Sträflinge zu betrachten – hatten sich gut eingelebt. Es waren muntere Kerle, die richtig witzig sein konnten und bereitwillig jede Arbeit übernahmen. Oft waren die Kühe schon gemolken, wenn Alice in den Stall ging, und George interessierte sich für ihren Gemüsegarten.
Am Sonntagmorgen werkelte er gerne darin herum. »Wenigstens was zu tun«, murmelte er, als Alice ihn zum ersten Mal beim Umgraben und Unkrautjäten entdeckte. Dann wurde die Gärtnerei für ihn zu einem Hobby, und er bot ihr an, die Gartenfläche zu verdoppeln.
Mike zog ihn unerbittlich damit auf und behauptete, er verwandle sich in einen chinesischen Gärtner, doch George kümmerte sich nicht weiter darum.
»Es prallt einfach an ihm ab«, bemerkte Clem grinsend. »So geht es die ganze Zeit«, sagte er zu seiner Schwester. »Mike stichelt gerne. Wenn es nicht George trifft, dann mich.«
»Und er macht dir keine Schwierigkeiten?«, wollte Alice wissen. Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Es ist nur seine Art, sich die Zeit zu vertreiben. Ich glaube, die Arbeit hier langweilt ihn. Er ist ein kluger Kopf. Gebildet.«
»Aber nicht gebildet genug, um dem Gefängnis zu entgehen«, meinte Alice ein wenig herablassend. Damit versuchte sie allerdings nur zu kaschieren, dass sie den Iren im Grunde gern mochte. Er war groß und schlank, und seine dichten kastanienbraunen Haare, die Fearley fälschlicherweise als rot bezeichnet hatte und die ebenso unbezähmbar schienen wie der Mann selbst, fielen ihm lockig ins Gesicht. Außerdem hatte er ein fröhliches Lächeln. Insgeheim fand sie ihn so charmant, dass sie sich zwingen musste, nicht dauernd an ihn zu denken. Wenn die Hausarbeiten erledigt waren, ritt Alice aus, um nach den Schafen zu sehen. Sie nahm die Hunde mit, da die Weiden nicht eingezäunt waren. Oft fiel es ihr schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, weil sie in Gedanken bei den Männern weilte, die das Buschwerk rodeten.
Da es ihr seltsam erschien, dass sie und Clem das Sonntagsessen allein in der Küche einnahmen, während George draußen im Garten arbeitete, lud sie die beiden Männer ein, mit ihnen zu essen. Sie war froh, dass Clem nichts dagegen hatte.
»Du bist die Köchin«, sagte er. »Mach es, wie es dir gefällt. Mir kam es schon immer komisch vor, sie draußen auf der Veranda abzuspeisen, während wir hier drinnen saßen.«
»Tut mir leid, ich dachte, es sei richtig so.«
»Es sind Fearleys Regeln, nicht meine.«
Dann wurde ihr bewusst, dass Clem gern in Gesellschaft aß, da sich die Geschwister nicht allzuviel zu erzählen hatten. Das Sonntagsessen war nur der Anfang. Bald nahmen sie alle Mahlzeiten gemeinsam in der Küche ein. Schließlich machte das die Sache auch viel einfacher.
Auf Lancoorie wird es lebendiger, dachte Alice, während sie Kartoffelbrei über das Hackfleisch in der großen Auflaufform verteilte. Dies war Mikes Lieblingsessen.
Erst letzte Nacht hatte sie in dem großen Doppelbett von ihm geträumt. Er hatte sie in die Arme genommen, geküßt, und sie war voller Freude erwacht. Nun endlich wusste sie, dass sie ihn wahnsinnig liebte.
Als ihre drei lärmenden Männer hereinkamen, hatte sie das Gefühl, sie sei die glücklichste und zufriedenste aller Frauen. Doch sie verbarg ihre Empfindungen, da sie Clems Missbilligung fürchtete. Vor allem aber sollte Mike sie nicht für töricht halten. Bisher hatte er sie ebenso höflich und freundlich
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