Leuchtendes Land
Stirnrunzeln ihr Gesicht veränderte, vergaß sie Clem und Carty. Sie schwor sich, niemals wieder diese faltige Miene aufzusetzen und ihre hübschen Züge zu entstellen. Was für ein netter Mann Mike doch war!
Bei Männern schien immer alles damit zu enden, dass sie die Pferde musterten, dachte Clem, während sie über die Farm gingen. Ansonsten gab es in diesem flachen Land nicht viel zu sehen. Auch Dr. Carty stand nun an der Koppel und zündete seine Pfeife an.
»Sind in guter Verfassung«, bemerkte er. »Du hast den Postles ein paar Tiere abgekauft?«
»Ja, ich brauchte sie, da wir nun zwei festangestellte Farmarbeiter haben. Pa’s Pferd haben wir erschießen müssen.«
»Verstehe. Da fällt mir ein, Clem, dass ich etwas mit dir besprechen wollte.«
»Sir, das hatte ich bereits vermutet.«
»Ich habe mich gefragt, ob ein gutsituierter junger Mann wie du schon mal ans Heiraten gedacht hat.«
»I-ich?«, stammelte Clem, während der Gedanke an Lettice Carty wie ein Blitz durch sein Hirn schoss. »Nein. Bis jetzt noch nicht.«
»Du bist neunzehn?«, fragte Carty.
»Kommenden Monat. Ich wurde Heiligabend geboren.«
»Na, bitte. Ich pflege immer zu sagen: Das schönste Geschenk, ein Christkind, macht allen Freude außer dem Doktor. Doch das nur nebenbei. Ich will offen mit dir sprechen, Clem. Würdest du zu diesem Zeitpunkt eine Heirat in Betracht ziehen, wenn dir das richtige Mädchen über den Weg liefe?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sagen wir, ein Mädchen mit einer anständigen Mitgift?«
»Ach so, Sie wollen mir zu verstehen geben, dass ich bei meiner Heirat auf einer Mitgift bestehen soll. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Meiner Ansicht nach sollte in erster Linie das Mädchen zählen, wenn ein Mann heiratet.« Er scharrte unbehaglich mit den Füßen. »Und natürlich, ob es mich haben will«, fügte er finster hinzu.
Der Doktor seufzte. »Ihr jungen Leute seid alle gleich. Ihr braucht ein bisschen Nachhilfe in diesem Geschäft. Ihr seid einfach zu schüchtern.«
»Na ja, ich habe wohl noch etwas Zeit«, meinte Clem und hoffte, das Thema sei damit erledigt. Selbst wenn es um Lettice ginge, zöge er eine Heirat zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht in Betracht. Er kannte sie doch kaum.
Doch der Doktor hatte andere Vorstellungen. »Wir sind doch immer Freunde gewesen, nicht wahr, Clem?«
Clem war dies neu, doch er nickte gehorsam.
»Dann will ich meine Karten offen auf den Tisch legen und dir die Entscheidung überlassen. Du stammst aus einer guten Familie, und gegen dich als Schwiegersohn hätte ich nichts einzuwenden. Ich könnte dir in gesellschaftlicher und finanzieller Hinsicht von großem Nutzen sein. Das solltest du dir auf jeden Fall merken. Leider war meine Ehe nicht mit einem Sohn gesegnet …«, fügte er klagend hinzu, »doch ich habe drei Töchter …«
Während er sich weiter über seine Vatersorgen ausließ, erinnerte sich Clem an die Andeutungen des Bankdirektors. Er konnte es kaum erwarten, Mr. Tanner zu bestätigen, dass dieser recht gehabt hatte und Carty ihn in eine Ehe mit Lettice lotsen wollte. Clem konnte sich das Lachen kaum verkneifen, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nehmen wir einmal meine Thora«, setzte der Möchtegern-Schwiegervater an und schreckte Clem damit aus seinen Überlegungen auf.
Clem riss sich zusammen und überlegte sich eine höfliche Antwort, während Carty noch Thoras Vorzüge ins Feld führte: ein charmantes Mädchen, gutaussehend, mit ausgezeichneten Manieren und allen gesellschaftlichen Tugenden, eine hervorragende Hausfrau …
»Dr. Carty, Sie vergessen, dass Thora älter ist als ich.«
»Guter Gott, Mann, doch nur ein Jahr. Das macht gar keinen Unterschied.«
»Aber sie kennt mich kaum.«
»Sie kennt dich gut genug. Viele Ehen werden arrangiert, obwohl sich das Paar nie zuvor begegnet ist. Auch sie werden glücklich.«
Clem war eingeschüchtert. Er wagte nicht zu sagen, dass ihm Lettice lieber wäre. Vielleicht wollte sie ihn auch gar nicht haben. Der Gedanke daran, einen Korb zu bekommen, war einfach zu peinlich. Dennoch lieferte er ihm ein neues Argument.
»Sie meinen es sicher gut, Dr. Carty, und ich fühle mich überaus geschmeichelt, dass Sie mich in Betracht ziehen, aber was würde Thora davon halten?«
»Sie ist einverstanden.«
»Wie bitte?«, fragte Clem verblüfft. Irgendetwas stimmte hier nicht. Etwas war faul. Wieso sollte ausgerechnet die hochmütige Thora ihn heiraten wollen? Sie hatte
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