Leuchtendes Land
Blick auf die abgenutzten Rohrstühle, die in einer Ecke der Veranda standen. »Wenn die Herren bitte dort Platz nehmen würden. Es dauert nicht lange. Und du, Clem, führst Mr. Fearley bitte ins Haus.«
Zum ersten Mal erhielt Alice die Gelegenheit, ihre neue Rolle als Hausherrin auszuprobieren. »Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen«, sagte sie zu den Sträflingen, nachdem die beiden anderen Männer ins Haus gegangen waren. »Wir wissen es wirklich zu schätzen, dass sie uns helfen wollen.«
»Ehrlich gesagt, Miss, blieb uns eigentlich keine andere Wahl«, bemerkte Deagan grinsend. »Aber es ist nett, dass Sie uns willkommen heißen.«
Alice schaute ihn neugierig an. »Ich weiß, dass Sie keine echten Freiwilligen sind, aber haben Sie etwas gegen Farmarbeit?«
»Selbst wenn, würde es keinen großen Unterschied machen.«
»Das habe ich Sie nicht gefragt.«
Der Ire nickte. »Stimmt. Drücken wir es so aus, Miss Price: Farmarbeit ist eine Ecke besser als Straßenbau, und Straßenbau ist eine Ecke besser als die Steinbrüche, und die Steinbrüche sind eine Ecke besser als die kalten Zellen in Fremantle. Das ist die beste Antwort, die ich Ihnen anbieten kann. Doch da nun einmal nicht alle Menschen gleich sind, sollten Sie sich keine Gedanken machen. Wir werden schon für den Burschen arbeiten.«
Gut, dass Clem das nicht gehört hatte. Er nahm seine neue Rolle als Boss sehr ernst. »Vielen Dank, Mr. Deagan. Eines sollten Sie sich jedoch merken. Meinen Bruder darf man trotz seiner Jugend nicht unterschätzen.« Diese Behauptung war reine Augenwischerei, um Deagan an seinen Platz zu verweisen. Sie hoffte, dass sie recht hatte, denn Clem war unerfahren in seiner neuen Position.
Alice servierte ihnen Kohlsuppe, eine Pastete aus Speck und Eiern und Karamelpudding mit Milchsoße. Sie hatte bewusst auf Hammel verzichtet, da der Wachtmeister in der Stadt sicher schwatzen würde und daher keinesfalls der Eindruck entstehen sollte, die Prices könnten sich kein anständiges Essen leisten. Er saß mit Clem am Küchentisch, während Alice den Arbeitern ihre Mahlzeit auf einem Tablett hinausbrachte. Sie war froh, dass sich die Männer bereits eine klapprige alte Bank geholt hatten, die seit Jahren auf der Veranda stand und verstaubte.
Jim Fearley war zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Tages. »Sie kochen prima, Alice, das muss ich Ihnen lassen. So gutes Essen hätte ich nicht erwartet. Auf den meisten Farmen bekommt man um diese Tageszeit bloß einen Teller kaltes Fleisch vorgesetzt. Wenn man Glück hat! Aber ich gebe Ihnen einen guten Rat. Sie sollten den Sträflingen das Essen zur Hintertür hinausreichen …«
»Da draußen gibt es keinen Schatten«, wandte sie ein, doch er hatte sich schon wieder zu ihrem Bruder umgedreht.
»Es ist auch nicht nötig, ihnen mehrere Gänge zu servieren. Ein Teller Eintopf und eine Scheibe Brot reichen völlig. Sie kennen es ja nicht anders. Wenn ihr sie so weiterfüttert, wie es deine Schwester eben getan hat, wirst du im Bankrott enden.« Fearley lehnte sich zurück und stopfte seine Pfeife. »Denk daran, junger Mann: Wenn du ihnen den kleinen Finger gibst, nehmen sie gleich die ganze Hand. Ich kenne diese Burschen, die können sehr hinterhältig sein. Pass gut auf. Jetzt kann ich dir ja erzählen, dass der Polizeirichter gar nicht scharf darauf war, jungen Leuten wie euch solche Arbeiter zu schicken. Doch Mr. Tanner sagte, ihr wärt ein Sonderfall, da ihr gerade euren Dad verloren hättet. Er sagte, von Rechts wegen stünden euch die Arbeiter zu. Dieser Typ mag Bankdirektor sein, aber er hat etwas von einem Buschadvokaten. Ich vermute, er kennt genügend …« Er warf einen Blick auf Alice, die Tee kochte. »Könnten Sie mir wohl das Rezept für die Pastete geben, Alice? Ich würde es gern meiner Frau geben. Wir hatten noch nie eine Pastete aus Eiern und Speck, das wäre mal was Neues.«
»Natürlich.« Sie lächelte und bemerkte, dass ihr Bruder vor Wut kochte. Sie würde ihren Arbeitern zu essen geben, so viel und an welchem Ort sie wollte. Und vom Boss, den man soeben als »jungen Mann« bezeichnet hatte, würde sie sich nicht hineinreden lassen. Alice war zu dem Schluss gekommen, dass es unbedingt erforderlich sei, sich mit den beiden Sträflingen zu verständigen. Die Ansichten eines Polizisten änderten nichts an ihrer Situation, die ohnehin so verzweifelt war, dass sie Sträflinge hatten einstellen müssen. Mit Honig kommt man weiter als mit Essig, hatte
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