Leuchtendes Land
eine so schöne Frau gesehen.
»Oh mein Gott«, flüsterte sie und machte sich Sorgen um ihren Bruder.
Als sie damals bei den Cartys übernachtet und mit den jüngeren Töchtern über die Heirat gesprochen hatte, war es Lettice gewesen, die von Thoras EntSchluss, berichtet hatte, trotz allem in Weiß zu heiraten. Ihre Mutter war völlig entsetzt gewesen.
»Nur Jungfrauen heiraten in Weiß«, hatte Lettice geflüstert.
Doch Thora hatte sich durchgesetzt. Trotz Hitze, Sand, Wind und der vertrockneten Gummibäume, die den kurzen Gang schmückten, wirkte Thora Carty wie ein eiskalter Engel. Ihr duftiger Schleier, der von einem Band aus winzigen Rosen gehalten wurde, verlieh ihr ein ätherisches Aussehen. Am Arm ihres Vaters schwebte sie zum Alter. Die Männer in ihren Sonntagsanzügen und die Frauen mit den wohlgehüteten Festhauben wichen ehrfürchtig zurück, aber Alice starrte nur zu Clem hinüber.
Auf Musik mussten sie verzichten, da St. Luke’s keine Orgel besaß. Clem hatte sich umgedreht und blickte Thora entgegen, die auf ihn zuschritt. Seine Miene zeigte zunächst Erstaunen, dann helle Freude. Unwillkürlich trat er mit ausgestreckten Händen auf sie zu, doch Les war entschlossen, das Protokoll zu wahren und riss ihn zurück.
Lettice trippelte in einem entzückenden rosa Kleid hinter der Braut her. Sie musste lediglich hübsch aussehen, da sie keine Schleppe zu tragen hatte.
Im Nu war die Zeremonie vorüber. Die Gäste verließen die Kapelle und mussten von neuem dem beißenden Wind trotzen.
Mrs. Carty rief die aufgeregten Mädchen zur Ordnung. »Kommt jetzt. Wir müssen heimfahren.«
Alice sagte verstimmt: »Aber ich habe ein Hochzeitsfrühstück vorbereitet.«
»Das wäre doch nicht nötig gewesen, meine Liebe«, antwortete die ältere Frau und wandte sich ab.
»Ich habe es für nötig befunden!«, Tagelang hatte sie gebacken, und Clem hatte für diese Gelegenheit wunderschönes Porzellan und Silberbesteck gekauft.
»Macht euch keine Sorgen um uns«, warf Dr. Carty ein. »Ihr jungen Leute solltet euch allein amüsieren.«
Hastig scharte er seine Familie und Freunde um sich, winkte dem Brautpaar zu, das in seinem Gig nach Lancoorie fahren würde, und strebte dann auf seine Kutsche zu, die den Rest der Hochzeitsgesellschaft zurück nach York bringen sollte.
»Ich muss schon sagen – so eine Frechheit!«, entrüstete sich Mrs. Postle, während sie versuchte, ihren Hut mit einem Musselintuch zu befestigen. »Mach dir nichts draus, Alice. Ich habe schon immer gesagt, die Leute aus der Stadt haben keine Manieren. Lass sie fahren. Les bringt dich in eurem Buggy nach Hause, und wir folgen euch.«
Ihr Mann wirkte unentschlossen. »Sind wir denn noch willkommen, Alice?«
»Selbstverständlich.«
Er forderte seine Söhne mit einem Pfiff auf, mit den Buggys vorzufahren. Währenddessen bedankte sich Alice beim Priester. »Pastor Dodds, es war eine schöne Hochzeit. Sie und Mrs. Dodds sind herzlich zum Hochzeitsfrühstück eingeladen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen, Miss Price, aber wir möchten nicht stören. Ich hoffe, Sie behalten uns in guter Erinnerung. St. Luke’s ist von Ihnen aus gesehen die nächste Kirche, und wir würden uns geehrt fühlen, Sie als Gemeindemitglied begrüßen zu dürfen. Wenn es recht ist, würden wir Ihnen bei Gelegenheit gerne unsere Aufwartung machen.«
»Sie sind beide herzlich willkommen.« Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass es in Kürze eine Taufe zu feiern gäbe, sie konnte sich aber gerade noch zurückhalten.
Niemand schien Anstoß daran zu nehmen, dass sie George und Mike zu dem erlesenen Frühstück eingeladen hatte, das auf der funkelnagelneuen Veranda mit dem blank gebohnerten Fußboden serviert wurde. Nach einigen Drinks kredenzte Clem den Champagner, und das Frühstück entwickelte sich zu einer ausgelassenen Party.
Seitdem die »Städter« weg waren, war die Stimmung weitaus entspannter. Selbst Thora rang sich dann und wann ein Lächeln ab.
»Keine Flitterwochen?«, flüsterte Mike zu Alice hinüber.
»Das Thema wurde nicht angesprochen«, erwiderte sie achselzuckend.
Ein anderes Paar, das an diesem Tag in seinem Wagen an St. Luke’s vorbeifuhr, hielt kurz an, um die Ansammlung von Fahrzeugen vor der kleinen Kirche zu betrachten.
»Was geht da vor sich?«, fragte Lil Cornish ihren Mann.
»’ne Hochzeit. Clem Price kommt unter die Haube.«
»Wen heiratet er?«
»Eine von Dr. Cartys Töchtern.«
»Was du nicht sagst! Können wir
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