Leuchtendes Land
liebe Babys, und es muss herrlich sein, wenn wir erst unser eigenes haben.«
Er hatte bisher nicht gewusst, wie zärtlich sie sein konnte, doch die Freude darüber wurde überschattet von ihrer Bemerkung über »unser« Baby. Clem wagte nicht, Thora darauf aufmerksam zu machen und damit die Stimmung zu verderben. Ihr Baby war nun kein verschwommenes Etwas mehr für ihn, das irgendwann einmal zur Welt kommen würde, sondern es war greifbare Wirklichkeit.
Thoras Gesundheitszustand verbesserte sich nicht. Alice pflegte sie, so gut es ging, saß bei ihr auf der Veranda, während sie gemeinsam Babykleidung nähten, ging mit ihr spazieren und kochte ihr magenschonende Mahlzeiten. Als der Sommer vergangen war, wurde Thora anfällig für Erkältungen, und Mrs. Postle kam mit Kräutertränken und Eukalyptusbalsam herüber, um den quälenden Husten der werdenden Mutter zu lindern. Dr. Carty führte die monatliche Routineuntersuchung durch und konstatierte, die Patientin sei zwar ein wenig dünn, aber durchaus gesund. »Zu dieser Jahreszeit erkältet sich jeder«, sagte er. »Das ist beileibe nichts Ungewöhnliches. Das Baby liegt gut, es gibt keinen Grund zur Besorgnis.«
Doch Alice machte sich Sorgen. Sie konsultierte sogar die alte, mütterliche Sadie, als diese das nächste Mal mit ihrer Familie zum Wohnhaus kam.
»Ist dünn. Hat wenig Milch. Schicke Mädchen her, wenn Zeit gekommen.« Sadie deutete mit dem Daumen auf ihr Gefolge. Die Stammesangehörigen hatten sich unter einem Baum niedergelassen. Unter ihnen entdeckte Alice zwei schwangere Frauen. »Meine Mädchen viel Milch«, fügte sie stolz hinzu.
»Sadie hat etwas für dich«, flüsterte Alice Thora ins Ohr. »Sie möchte es dir selbst geben. Was auch immer es sein mag, du brauchst es nicht zu verwenden.«
»Ich probiere alles aus«, meinte Thora. »Ich mache mir solche Sorgen, Alice. Ich bin doch schon im sechsten Monat und sollte mich eigentlich besser fühlen.«
Sie nahm Sadies Geschenk höflich entgegen und rieb sich später wie angewiesen den Bauch mit der Mischung aus schlammigen Blättern ein.
»Mein Gott, das stinkt vielleicht!«, stöhnte Alice, doch Thora glaubte wie alle Buschfrauen an die Heilkraft der Aborigine-Medizin und musste es einfach versuchen. Zu ihrer Enttäuschung half auch dieses Mittel nicht.
Als Thora im siebten Monat war und sich noch immer nicht wohl fühlte, schickte Alice ihren Bruder nach Dr. Carty. Doch Thoras Familie hatte ihren jährlichen Urlaub in Narrogin angetreten und würde frühestens in einem Monat heimkehren. Auch war der Stellvertreter des Arztes nicht wie geplant eingetroffen.
Clem fand Mr. Tanner in heller Aufregung vor. »Gold«, flüsterte er ihm zu. »Aber behalte es für dich. Ich habe von der Zentrale in Perth gehört, dass man in Fly Flat Gold gefunden hat. Ich warte noch auf die Bestätigung, erst dann können wir beurteilen, wie bedeutend der Fund ist.«
»Ach, irgendjemand redet immer von Gold«, meinte Clem unbeeindruckt, »und dann kommt doch nichts dabei heraus. Das Gold liegt in den östlichen Staaten. Wo ist dieses Fly Flat denn überhaupt?«
Tanner tippte mit dem Finger auf eine Landkarte. »Nur hundertzwanzig Meilen südlich der Stadt Southern Cross. Gleich da draußen!«
»Gleich da draußen?«, wiederholte Clem. »Es liegt über vierhundert Meilen östlich von hier, und zwar in der Wüste, wenn ich mich nicht irre! Man muss schon verrückt sein, um dort hinauszureiten, nur weil dort möglicherweise der eine oder andere Krümel zu finden ist.«
»Wir werden sehen«, meinte Tanner mit gespielter Ruhe, doch der Glanz in seinen Augen erinnerte Clem daran, dass er einen ehemaligen Glücksspieler vor sich hatte. Allerdings fragte er sich, was Goldfunde mit der Bank einer kleinen Landsiedlung wie York zu tun haben sollten. Zuvor schon hatte es in Westaustralien Goldvorkommen gegeben, die sich alle als wenig ergiebig erwiesen hatten.
In der Apotheke kaufte er eine große Flasche der Medizin, die man Thora empfohlen hatte, und einige Mineralsalze zum Baden. Sie wirkten entspannend, versicherte man ihm. Dann suchte er nach einem Geschenk. Schließlich fand er ein Stück süß duftender Seife und machte sich gleich darauf in nachdenklicher Stimmung auf den langen, einsamen Heimritt.
Gold! Er fragte sich, was geschehen würde, wenn sie in Fly Flat tatsächlich einen bedeutenden Fund machten. Ein Goldrausch! Tausende von Menschen aus aller Welt würden sich auf den beschwerlichen Weg zu den
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