Leuchtendes Land
Ich schätze, sie haben dir ein beachtliches Angebot gemacht, damit du sie von mir befreist. Es ist ihnen furchtbar peinlich, was mit mir passiert ist.«
»Meinst du, mir ist die ganze Angelegenheit nicht peinlich? Ich mag dich, Thora, aber du warst bisher vollkommen unerreichbar für mich.«
»Jetzt nicht mehr?«
Clem fiel ein, dass Alice eine ähnliche Bemerkung gemacht hatte, doch er versuchte, nicht daran zu denken. Er hatte nur Augen für dieses wunderbare Mädchen. Er begehrte Thora mehr, als er je eine Frau begehrt hatte, und sagte sich, zur Hölle mit ihren Eltern. Und mit Matt Spencer. Sie könnte seine Frau werden, wenn es ihm nur gelang, sie davon zu überzeugen, dass er ihre Aufmerksamkeit verdiente und nicht bloß irgendein Kerl war, den man für den Notfall herbeigeschafft hatte. »Thora, wir beide sind hier aufgewachsen. Wir kennen uns zwar nicht besonders gut, weil die Menschen hier so weit voneinander entfernt leben, aber ich weiß, wer du bist. Falls jemand schlecht von mir gesprochen hat, solltest du es mir sagen.«
»Das ist nicht der Fall.«
»Dann möchte ich dich bitten, dass du mir die Ehre erweist und meine Frau wirst.«
»Obwohl ich das Kind eines anderen Mannes erwarte? Schämst du dich nicht für mich?«
Clem trat ans Fenster und schaute auf die Straße hinaus. »Du hast das Recht, mir diese Frage zu stellen. Ich habe mich das selbst schon gefragt, hatte aber noch nicht genügend Musse, darüber nachzudenken. Deine Mitgift ist nicht zu verachten, aber deine Schwestern würden das Gleiche erhalten. Im Falle eines gutsituierten Bewerbers vielleicht sogar mehr, wenn du verstehst, was ich meine. Mit anderen Worten, deine Eltern nutzen uns beide aus. Sie denken, wir würden uns billig abspeisen lassen – ich mit Geld, du mit dem erstbesten Heiratskandidaten.«
Er kehrte zu seinem Sessel zurück und setzte sich ihr so dicht gegenüber, dass sich ihre Knie beinahe berührten. »Wir können aber auch eigene Regeln aufstellen. Ich möchte dich wirklich heiraten und verspreche, dass ich gut zu dir sein werde. Und was wünschst du dir?«
»Ich möchte dieses Kind bekommen«, entgegnete sie heftig. »Hat mein Vater dir erzählt, er habe die Schwangerschaft nicht unterbrechen können?«
»Ja, natürlich.«
»Dann bist du bereits auf ihn hereingefallen.« Sie brach in Tränen aus. »Er hat gelogen. Er versuchte mich zu einer Abtreibung zu drängen.«
»Das ist nun vorbei.« Wie gern hätte er dem verzweifelten Mädchen übers Gesicht gestreichelt, die ängstlichen Augen mit einem Kuss getröstet, doch sie schüchterte ihn noch immer ein und wirkte wie ein Tier, das sich von aller Welt bedrängt und umzingelt fühlt.
»Warum versuchen wir es nicht, Thora? Du weißt doch sicher, was die Aborigines hier in der Gegend sagen: ›Du gehst von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang. Ein Tag folgt auf den anderen.‹ Wir können ebensogut zusammen gehen. Was haben wir denn zu verlieren?«
Als Clem ihre Eltern hereinließ, hatte Thora aufgehört zu weinen und wirkte gefasst. Scheinbar galt die Angelegenheit nun als erledigt, doch Clem war entschlossen, aus diesem erbarmungslosen Vater noch mehr herauszuholen. Diesem Vater, der ihn belogen hatte.
Die Cartys hatten wirklich keine Zeit vergeudet. Im Esszimmer wartete bereits ein Priester, der die Trauung vorbereiten sollte. Man führte das Paar zu ihm hinein, damit es sich mit ihm beraten – oder besser gesagt ihm zuhören – konnte, da Dr. und Mrs. Carty den Ort, an dem die Veranstaltung stattfinden sollte, bereits mit ihm vereinbart hatten. Man hatte seine kleine, ländliche Kirche ausgewählt, draußen an der Straße nach Westen, die auch an Lancoorie vorbeiführte.
»Es ist so eine hübsche kleine Kirche«, begeisterte sich Mrs. Carty. »Ich könnte mir gar nichts Schöneres vorstellen.«
Clem schaute zu Thora hinüber, weil er sehen wollte, wie sie reagierte, doch sie hielt die Augen gesenkt und die Hände im Schoss gefaltet.
»Warum sollen wir nicht in der anglikanischen Kirche hier im Ort heiraten?«, wollte er wissen. »Es ist ein repräsentatives Gebäude, auf das die Leute von York stolz sein können. Man sagt, es sei die schönste Kirche außerhalb von Perth.«
»Ich halte St. Luke’s dennoch für geeigneter«, erwiderte Mrs. Carty ruhig. »Außerdem liegt die Kirche ganz in deiner Nähe.«
»Aus den Augen, aus dem Sinn, meinen Sie?«, fragte Clem scharf. »Falls Sie glauben, damit den Klatsch unterbinden zu können,
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