Leuchtendes Land
verlassen dieses Leben für immer. Wenn Ted erst einmal arbeitet, hat er keine Zeit mehr, sich in schlechter Gesellschaft herumzutreiben.«
Vom Gedanken an Caroline getrieben eilte sie nach Hause, wo sie das Baby in tiefem Schlaf vorfand.
»Die Kleine war so unruhig, hatte wohl Hunger«, erklärte die Vermieterin. »Also haben wir ihr eine Flasche gegeben.«
»Aber sie trinkt nicht aus der Flasche. Sie wird gestillt.«
»Jetzt trinkt sie aus der Flasche. Ich und die anderen Damen waren der Meinung, das Kind sei hungrig, und dass es jetzt friedlich schläft, ist der Beweis. Sie sollten zufüttern, damit die Kleine an Gewicht zulegt.«
Schon bevor sie das Zimmer betrat, spürte Lil, dass Unheil in der Luft lag. Der Morgen war aber auch zu schön gewesen. Sie riss die Tür auf. Ted war weg. Nicht einfach ausgegangen, sondern ausgezogen. Sein Seesack, der am Bettpfosten gehangen hatte, fehlte ebenso wie Rasierbecher und -pinsel. Lil hängte ihren Hut an den Haken, an dem vor kurzem noch Teds Winterjacke gehangen hatte, und legte das Baby auf das knarrende Bett. Sorgfältig überprüfte sie die Schubladen der Frisierkommode außer der obersten, in der ihre Unterwäsche lag.
Er hatte seine sämtlichen Kleider mitgenommen. Dann zog sie mit geschlossenen Augen ahnungsvoll die oberste Schublade auf und traute sich kaum hineinzusehen. Ihre gebügelten Unterröcke und Unterhosen waren durchwühlt worden. Lil tastete vergeblich nach den wertvollen Fahrkarten für die
SS
Silverton
, die sie einem neuen Leben auf einer südaustralischen Schaffarm entgegenschippern sollte. Ted hatte auch sie mitgenommen.
»Kein Wunder, ich hab’ Sie doch gewarnt«, sagte die Vermieterin.
»Ein bisschen spät«, schnappte Lil.
»Nicht so frech! Tragen Sie die Nase nicht so hoch, und hören sie auf, mich zu beschuldigen!«
»Es tut mir leid, das war nicht meine Absicht. Ich werde zur Polizei gehen.«
»Das wird nicht viel helfen. Gehen Sie zur Schiffahrtsgesellschaft und sagen Sie, Ihre eigene Fahrkarte sei verlorengegangen. Sie möchten Ihnen eine neue ausstellen. So kann er sie zumindest nicht hier zurücklassen. Falls Sie den Kerl tatsächlich noch wollen.«
»Ich muss einfach dorthin.«
Lil spurtete los. Selbst in der Stadtkleidung rannte sie so schnell, dass sie ein wenig damenhaftes Bild abgab. Sie sauste zwischen den Fußgängern hindurch, schoss quer über geschäftige Straßen, immer getrieben vom Gedanken an Caroline und ihr anderes Baby. Ihr Herz hing an dem Plan, die beiden so weit wie möglich voneinander entfernt aufwachsen zu lassen, damit die mystische Verbindung gekappt wurde und sie ein unabhängiges, erfülltes Leben führen konnten. In ihrer Verwirrung glaubte Lil tatsächlich, sie renne um das Leben ihrer Kinder.
Das Schiffahrtsbüro war überfüllt. Die Leute schubsten sie, und sie schubste zurück, bis sie sich zur Theke vorgearbeitet hatte. Dort erfuhr sie, dass sie in der falschen Schlange stand; im Hafen lag noch ein anderes. Den nächsten Angestellten musste sie erst anbrüllen, bevor er sich herablassend zu ihrem Anliegen äußerte.
»Ich würde vorschlagen, Sie gehen nach Hause und suchen Ihre Fahrkarte, Madam.«
»Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie verdammte Vogelscheuche«, zischte sie den schwarz gekleideten Mann an, »ich habe eine Passage auf der
Silverton
gebucht. Wenn ich meine Fahrkarte nicht verloren hätte, wäre ich nicht hier. Ohne Fahrkarte komme ich nicht an Bord. Wenn Sie sie mir nicht sofort ersetzen, möchte ich Ihren Vorgesetzten sprechen.«
»Ich nehme an, die Überfahrt wurde bereits bezahlt?«, fragte er.
»Hätte ich sonst eine Fahrkarte besessen?«
»Na gut. Warten Sie einen Moment. Wie war doch gleich der Name?«
»Cornish. Mrs. Ted Cornish.«
»Das ist eigentlich gegen die Vorschriften.« Er zog einen Ordner aus dem hölzernen Aktenschrank, der hinter ihm stand. »Cornish. Zweite Klasse. Hier ist die Passagierliste. Ich muss jetzt die Nummer der Fahrkarte überprüfen. Selbst dann kann ich Ihnen nur ein Duplikat ausstellen.«
»Komme ich damit an Bord?«
»Ich denke schon.«
Anscheinend hatte er gefunden, was er suchte. Dennoch besprach er sich lang und breit mit einem Kollegen und verkündete dann hochmütig: »Mrs. Cornish, ich weiß nicht, was Sie sich denken, aber es funktioniert nicht. Ihr Mann hat diese Fahrkarten heute morgen zurückgegeben.« Er schob ein Blatt über den Schalter. »Hier ist seine Unterschrift. Der Nächste, bitte.«
Gedemütigt schlich Lil durch
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