Leuchtendes Land
werden, Thora. Ach ja, ich habe übrigens das Fuhrunternehmen deines Vaters gekauft.«
»O mein Gott, was bist du für ein Trottel! Warum hast du dich von ihm beschwatzen lassen?«
»Keine Sorge, alles wird gut. Es ist eine gute Kapitalanlage.«
Thora schüttelte nur den Kopf und wandte sich dem Baby zu. Clem fühlte sich erleichtert, da sie nun wenigstens miteinander gesprochen hatten. Vor seinem Aufbruch würde er die letzten Risse mit einer Entschuldigung und dem hübschen Goldanhänger kitten, den er in York für Thora gekauft hatte. Ihr Zorn war verraucht, und Clem schwor sich, sie nie wieder mit Gewalt zu nehmen. In der letzten aufregenden Nacht mit Jocelyn hatte er begriffen, dass Thora sexuell unreif war. »Ich muss Geduld üben und darf sie nicht noch einmal verärgern, bevor ich aufbreche«, dachte er. »Es wäre unerträglich, wenn wir uns im Streit trennen würden.«
Seine Sorgen waren überflüssig. Thora war so fasziniert von dem Gedanken an das Gold, dass sie Alice sogar half, haltbare Kuchen zu backen und in Blechdosen zu verpacken.
»Mrs. Price, ich schwöre, das Goldfieber hat auch Sie erwischt«, neckte Mike sie. Thora kicherte.
»Wenn ich ein Mann wäre, würde ich selbst hinreiten und mir nichts, dir nichts die Goldnuggets aufsammeln. Ein wahrer Traum!«
»Es ist schon ein bisschen schwieriger als Blumen zu pflücken«, bemerkte Clem lächelnd.
»Unsinn. Ich habe gehört, die Straßen seien mit Gold gepflastert.«
»Welche Straßen?«, murmelte Alice, während sie Scheiben von ausgebeintem gepökelten Hammelfleisch in Musselinstreifen wickelte.
Lydias Taufe, die zu Hause stattfand, entwickelte sich zu einer fröhlichen Feier. Die Frauen hätschelten und tätschelten das hübsche Baby, und Dr. Carty paffte genüsslich seine Zigarre. Voller Glück, die Firma los zu sein, strahlte er die neue Besitzerin an. Alle interessierten sich brennend für Clems und Mikes Reisevorbereitungen.
»Weißt du wirklich, was du dir da vorgenommen hast?«, fragte Carty.
»Nein«, lachte Clem, »aber ich muss es einfach versuchen.«
»Ich meine, du nimmst immerhin einen Sträfling als Partner mit. Er könnte dich im Stich lassen.«
»Nein, das wird er nicht. Er ist ebenso scharf auf das Gold wie ich. Außerdem beteilige ich ihn zur Hälfte an jedem Fund.«
»Bist du von Sinnen? Von Rechts wegen steht ihm nur sein Lohn zu.«
»In diesem Fall würde er mit Sicherheit weglaufen.«
Clem hatte seinen Wagen gegen ein solideres Gefährt deutscher Bauart eingetauscht. Am Tag der Abreise waren die beiden Pferde gut ausgeruht und witterten ebenso wie ihre Herren den Hauch von Abenteuer, so dass sie sich anstandslos das Geschirr anlegen ließen. Der Wagen war so geschickt mit Proviant und Ausrüstung beladen worden, dass sie noch Platz für die Sachen hatten, die Clem aus dem Lagerhaus in York holen wollte. Alice prüfte das Gepäck gleich zweimal anhand ihrer Liste, damit auch ja nichts fehlte.
George überreichte ihnen einen Beutel Kürbisse, die sich monatelang halten würden. Von Thora erhielten sie selbstgestrickte Wollmützen. Sogar die alte Sadie fand sich samt ihrem Gefolge ein, um die Goldsucher zu verabschieden. Sie nahm Clem beiseite und bestand darauf, dass er einen Nachrichtenstab als Geschenk akzeptierte. Es handelte sich um ein flaches Stück Holz von ungefähr dreißig Zentimeter Länge, das mit seltsamen Malereien verziert war.
»Vielen Dank, Sadie«, sagte er höflich, »das ist sehr hübsch.«
»Was heißen hübsch?«, schnappte sie beleidigt. »Schützt dich vor Schwarzen da draußen. Sind wütend, weil weiße Leute sie vertreiben.«
»Woher weißt du das?«
»Leute wissen. Stab sagt, du guter Mann, Mr. Clem.« Sie brach in Tränen aus. »Du nicht gehen und töten lassen von bösen Schwarzen. Behalte Nachrichtenstab.«
Clem nahm die korpulente schwarze Frau in die Arme und küsste sie, ohne auf Thoras Stirnrunzeln zu achten. »Was würde ich nur ohne dich anfangen? Mach dir keine Sorgen, und kümmere dich während meiner Abwesenheit um meine drei Mädels.«
Dann umarmte er Alice. Als er sah, wie sie bei Mikes Umarmung errötete, musste er grinsen. Zum Schluss gab er Thora einen Abschiedskuß. »Leb wohl, mein Liebling, wünsch mir Glück.« Er freute sich, dass sie seinen Kuss erwiderte und spontan die Arme um ihn schlang. Auch sie errötete, als Mike sie auf die Wange küsste, und Clem spürte bei diesem gefühlvollen Abschied einen Kloß im Hals. Er würde sie alle vermissen.
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