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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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sah sich im Zimmer um. »Ich würde ja mit Baby spazieren gehen, aber wir haben keinen Kinderwagen.«
    »Meine Freunde in Perth schicken mir einen.« Merle, ihre Vermieterin, hatte darauf bestanden, ihr einen guten gebrauchten Kinderwagen auf dem Samstagsmarkt zu besorgen.
    »Mit dem Boot?«, fragte Mercy begeistert. »Ich sehe nach. Bringe ihn für Sie her.«
    Wie Lil später herausfand, war es Mercys liebster Zeitvertreib, von der Anlegestelle aus die Boote zu beobachten. Der Kinderwagen verschaffte ihr nun einen neuen Grund, um sich dort aufzuhalten.
     
    Eine Woche später war Lil zu dem Schluss gekommen, dass diese Stelle für den Moment das richtige war. Die Melkarbeit und die Erfüllung ihrer anderen täglichen Pflichten kamen sie hart an, doch Tom war ihr ein guter Freund geworden, der darauf achtete, dass sie genügend Zeit mit Caroline verbringen konnte. Die anderen Frauen, die im Haus arbeiteten – eine Köchin und vier Hausmädchen – erklärten sich gern bereit, in ihrer Freizeit nach dem Baby zu sehen. Zur Belustigung der anderen Frauen stritten sich Beth und Mercy beinahe um das Privileg, Caroline betreuen zu dürfen. Obwohl sie wie die Nonnen in nebeneinanderliegenden Zimmern lebten, kamen sie gut miteinander aus und hatten viel Spaß.
    Lil war Mr. Warburton noch nicht begegnet und hatte auch das Herrenhaus noch nicht von innen gesehen. Sie kannte nur einen kleinen Teil der Farm und ihrer Bewohner, doch das würde sich im Laufe der Zeit sicher ändern. Einmal erschien Miss Lavinia zur Inspektion von Lils Unterkunft, und diese sah schweigend zu, wie ihre Arbeitgeberin ins Zimmer rauschte und in jeden Winkel spähte.
    Miss Lavinia war eine hochgewachsene, hagere Frau mit grauem Haar, das sie in einem Knoten trug, und scharfen Augen, denen nichts entging. Unter dem schwarzen Kleid, an dessen Gürtel ein Schlüsselbund baumelte, trug sie einen altmodischen Reifrock. Die Hitze schien ihr nicht das Geringste auszumachen.
    »Wer bist du?«, fragte sie Lil.
    »Mrs. Cornish, Madam.«
    »Woher?«
    »Aus York.«
    »Nicht mit diesem Akzent.«
    Lil blinzelte. »Es liegt im Avon Valley, Madam.«
    »Unsinn.« Sie zog die Schubladen auf, fasste deren Inhalt ins Auge und nahm die Blätter mit den Gebetstexten heraus, die Lil aus Perth mitgebracht hatte. Miss Lavinia studierte sie eingehend, als suche sie nach unzüchtigen Passagen. »Du bist eine gute Christin?«
    »Ich tue mein Bestes, Madam.«
    »Man tut nicht sein Bestes. Man ist eine gute Christin oder man ist es nicht. Ich beispielsweise bin eine und lüge daher nicht.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und rauschte wieder hinaus.
    Lil war verblüfft. Die Frau konnte unmöglich das Baby übersehen haben, das friedlich auf dem freien Bett schlief, hatte es aber keines Blickes gewürdigt. Lil hatte nichts gegen die Inspektion ihres Zimmers einzuwenden, mißbilligte aber Miss Lavinias Haltung gegenüber ihrem Kind. Wie die meisten Mütter erwartete sie, dass jede Frau ein Lächeln für ein so niedliches Geschöpf übrig haben müsse.
    »Verdammt, wenn sie eine gute Christin ist, dann bin ich Bischof!«
    Doch wenigstens hatte sie die Prüfung bestanden, und das allein zählte. Sie hatte bald herausgefunden, dass die berüchtigte Miss Lavinia die wahre Herrin des Hauses war, während sich Mr. Warburton in der Bibliothek dem Sammeln von Briefmarken und anderen Beschäftigungen widmete, die einem Gentleman gut zu Gesicht standen. Lil hatte den eleganten weißhaarigen Herrn mit dem Ziegenbart ein paarmal aus der Ferne im Rosengarten gesehen. Die Bediensteten erwähnten ihn selten, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, seine Schwester bei Laune zu halten.
    »Das dürfte mir nicht schwerfallen«, dachte Lil. »Ich muss nur brav den Blick senken, reinlich sein und die Bibel unter dem Arm tragen.« Lils Ehrgeiz war geweckt. Sie wollte sich von der Kuhmarkt zur Haushälterin emporarbeiten, und um dieses Ziel zu erreichen, brauchte sie die Unterstützung von Miss Lavinia.
    Das Geschenk von Merle – der Kinderwagen mit Babydecke – traf wie angekündigt ein. Nun genoss Lil größere Bewegungsfreiheit und lebte sich rasch auf der Minchfield Farm ein. Das Leben war leichter geworden ohne die bedrückende Gegenwart von Ted Cornish. Sie verdiente nun ihr eigenes Geld. Die harte Arbeit störte sie nicht, sondern stärkte ihre Kräfte und ihre Gesundheit. Nach einigen Monaten wurde ihr klar, dass sie gerne auf der Farm arbeitete, die ihr

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