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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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gesagt, er sei Schafzüchter. Seine Familie habe seit Generationen Schafe gezüchtet, und dabei könne es auch bleiben.
    »Du rodest das Land, aber die verdammten Bäume kommen immer wieder«, hatte er zu Clem gesagt. »Wenn du versuchst, sie abzubrennen, wachsen sie noch besser als zuvor.«
    »Nicht, wenn man gründlich rodet. Du musst alle Wurzeln entfernen.«
    »Und das kostet Geld. Wir würden eine Armee von Männern brauchen, um Lancoorie zu roden.«
    »Man könnte sich Morgen für Morgen vornehmen.«
    »Mal sehen, wann wir ein bisschen Geld übrig haben.«
    Doch es war nie Geld übrig, weil Dora und das Haus die geringen Einnahmen verschlangen.
    Alice kam ihnen mit flatternden Haaren und wehenden Röcken entgegengelaufen. Dann blieb sie so plötzlich stehen, dass sie fast über ihre eigenen Füße fiel. »Habt ihr Pa gefunden?«
    Clem sprang vom Pferd und half ihr hoch. »Komm mit, Liebes, Pa hat einen Unfall gehabt.« Doch sie riss sich los und rannte zu dem anderen Pferd hinüber. Mit offenem Mund starrte sie auf Noahs Kopf, der in einem grotesken Winkel an der Flanke des Tieres herunterbaumelte. Das weiße, von Schweiß und Schmutz verklebte Haar sah aus wie ein zweiter Bart am falschen Ende des Kopfes. Seine Augen waren weit aufgerissen.
    »Er ist tot!«, schrie sie, als Clem nach ihr griff. »Was hat dieser schreckliche Mann mit ihm gemacht?«
    »Nichts. Pa hat ihn wohl gar nicht erwischt. Wir beide trinken jetzt eine Tasse Tee. Sie bringen Pa in den Schuppen.«
    »Das werden sie nicht tun. Tragt ihn ins Haus.«
    »Wäre das richtig?«, fragte Clem unsicher.
    Sie nickte und musste sich auf ihn stützen, während sie an den drei großen Eichen vorüberstolperten, die Noah aus englischem Samen gezogen hatte. Er hatte ursprünglich eine ganze Reihe von Bäumen zum Schutz vor den heißen, trockenen Winden, die im Sommer über die Ebene hinwegfegten, pflanzen wollen, doch lediglich drei der Bäume hatten überlebt. Und dies auch nur dank Alices ständiger Pflege.
    »Wir kommen morgen wieder«, sagten die Scherer zu Alice. Nachdem sie ihre traurige Pflicht erfüllt hatten, hielten sie ihre Hüte umklammert. Dora lag ausgestreckt auf der Couch und bejammerte lauthals den Verlust ihres Gatten.
    »Nein«, unterbrach Clem ihre Vorstellung. »Wir gehen in den Schuppen zurück. Wir müssen fertig werden.«
    »Du grausamer Junge!«, kreischte Dora. »Hast du keine Achtung vor dem Toten? Lass sie gehen!«
    »Ab in den Schuppen«, sagte Clem. Die Scherer nickten, denn als praktisch veranlagte Männer wussten sie, dass er recht hatte.
    Bald kamen andere Frauen ins Haus, um den Leichnam herzurichten und während der Vorbereitungen für das Begräbnis lange, geheimnisvolle Unterhaltungen mit Alice – von Frau zu Frau – zu führen. Dora hingegen setzte sich in ihrem besten schwarzen Taftkleid mit den goldenen Streifen stocksteif auf die Veranda und schniefte in ein großes Taschentuch. Die Männer hatten nichts Besonderes zu tun und gingen überall zur Hand. Sie molken die Kühe, flickten Zäune, reparierten das Rad am Pferdewagen und das Dach des Vorratsschuppens und schoren die streunenden Tiere, die noch eingefangen werden konnten. Sie packten die Wollballen zusammen und deckten sie ab, bis die Fuhrleute kamen und sie nach York brachten. Mit ihren Frauen und Kindern hatten sie in der Nähe ein kleines Zeltlager aufgeschlagen. Sie wollten die kleine Familie in dem langgestreckten, steinernen Farmhaus nicht stören, doch Clem spürte ihre Kraft, so als wären sie ganz dicht bei ihm und Alice. Das erstaunte ihn. Obwohl er mit Noah zusammen oft ähnliche Hilfe geleistet hatte, überraschte es ihn, dass diese Leute sich mit den Prices abgaben, die verglichen mit den anderen Farmern und den Stadtbewohnern doch einen recht ärmlichen Eindruck machten. Sie standen kaum über den Kleinfarmern, die sich abrackerten, um auf ihren handtuchgroßen Grundstücken, die noch dazu trocken wie Pergament waren, zu überleben.
    In Clem wuchs ein neuer Stolz, als man ihn bat, einen Ort für den Familienfriedhof auszuwählen. Bei der Beerdigung traten mehrere Männer vor und sprachen in warmen Worten von Noah Price. »Ein ehrlicher Mann, aufrecht und treu«, sagten sie. »Ein fleißiger Mann, der uns noch lange als Pionier dieses Distrikts in Erinnerung bleiben wird. Er wurde uns zu früh genommen.« Alle nickten. »Ein großer Verlust.«
    Die Frauen wahrten Dora gegenüber höfliche Distanz und bezeichneten sie als Noahs Haushälterin,

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