Leuchtendes Land
oder Mrs. Morgans unvergleichlicher Yorkshire-Pudding.
Mr. Warburton brachte eine seiner seltenen Beschwerden vor, während Miss Lavinia durchs Haus stürmte, mit ihrem Stock gegen Türen und Wände schlug und wilde Drohungen ausstieß. Kurzum, alle Gesetze wurden übertreten.
Lil beobachtete die Entwicklung mit Argusaugen und wartete auf den großen Knall, der sich bei Trinkern zwangsläufig irgendwann ereignete. Da sie einen gewaltsamen Ausbruch befürchtete, blieb sie ständig auf der Hut. Doch es kam nicht dazu.
Am Freitagmorgen versammelte sich das gesamte Hauspersonal vor Jordan, um seinen Lohn abzüglich vier Shilling in Empfang zu nehmen. Danach verließen alle außer Lil und der Köchin ohne zu kündigen das Haus.
Sie packten ihre Siebensachen zusammen, rannten fröhlich zum Boot hinunter und riefen Jordan zu, er könne seiner Missus nun alleine dienen.
Lil weigerte sich, an diesem Abend bei Tisch zu bedienen.
»Ich bin keine Serviererin. Ich weiß nicht, wie das geht.«
Also stieg die arme dickliche Mrs. Morgan die Treppen hinauf, um ihrer Herrschaft, die in ihrer Anwesenheit eisiges Schweigen bewahrte, vier Gänge aufzutragen.
»Was haben sie gesagt?«, wollte Lil wissen.
»Nichts, nicht ein Wort. Aber ich wette, der Herr zieht ihr die Ohren lang, wenn ich nicht dabei bin. Jordan wird ihm gesagt haben, warum alle gegangen sind. Der ganze Distrikt wird sich das Maul über uns zerreißen. Der Klatsch reist mit dem Boot über den Fluss.«
»Warum haben sich alle so bedeckt gehalten, als es um die Prügel ging? Irgendjemand hätte dem Herrn davon erzählen sollen.«
»Das haben sie auch getan, doch er wollte sich nicht einmischen. Er ist seiner Schwester treu ergeben, weil sie ihm das Haus führt. Vielleicht hat sie versprochen, es würde nicht mehr vorkommen. Außerdem hat Miss Lavinia das letzte Mädchen, das sich beschwert hat, umgehend entlassen. Möchtest du etwa noch für sie arbeiten, wenn du sie bei ihrem Bruder angeschwärzt hättest?«
»Vermutlich nicht.« Lils vage Pläne fielen in sich zusammen. Sie hatte gehofft, Lavinia noch einmal betrunken zu ertappen und Mr. Warburton dann davon zu berichten. Doch wenn er so loyal zu seiner Schwester stand, würde sie sich damit nur schaden.
Dennoch war sie neugierig, wie Lavinia auf die Ereignisse des Tages reagieren würde, die ihre Eitelkeit verletzt haben mussten. Nicht jeden Tag verlor eine Hausherrin auf einen Schlag beinahe ihr gesamtes Personal. Gab es eine günstigere Gelegenheit für den Griff zur Flasche?
Später am Abend klopfte Lil an die Tür der Köchin. »Mir ist es unheimlich, da wir beide nun allein sind. Würdest du auf Caroline aufpassen, während ich ihr Milch aus der Küche hole?«
»Natürlich. Bring mir den kleinen Liebling.«
»Hast du schon den Frühstückstisch gedeckt?«
Mrs. Morgan schlug sich mit der Hand vor den Mund. »Du lieber Himmel, das habe ich ganz vergessen. Ich kann doch nicht an alles denken.«
»Macht nichts, ich übernehme das, während die Milch auf dem Herd steht.«
Als sie Mrs. Morgan den hellwachen Säugling überreichte, erinnerte die Köchin sie an ihre Aufgabe: »Denk daran, das irische Porzellan und das einfache Silberbesteck.«
»Ich werde es nicht vergessen.«
Nun hatte sie eine Erklärung für Miss Lavinia parat, falls diese sie im Speisezimmer erwischen sollte.
Auf dem Weg zum Haus betete Lil, dass die alte Frau Durst bekommen möge und runterkäme – und wenn nicht heute Nacht, dann vielleicht morgen nacht. Lil würde auf der Hut bleiben. Dabei wusste sie nicht einmal genau, was sie eigentlich wollte, doch sie würde sich von niemandem einfach vier Shilling wegnehmen lassen.
Diesmal zündete sie die Lampe am Ende der Küche an und stellte das Frühstücksgeschirr auf das Tablett, während die Milch warm wurde. Im Haus war kein Laut zu hören. Sie wollte schon aufgeben und den Rückzug antreten, als sie über sich im Speisezimmer ein Geräusch vernahm. Lil schoss die Treppe hinauf und spähte durch die Glasscheibe in der Tür. Der Anblick enttäuschte sie nicht.
Miss Lavinia war mit einer Kerze heruntergekommen und hatte diese auf einen Tisch gestellt. Sie schenkte den Kristallkaraffen keine Beachtung und wandte sich der Tür der Anrichte zu. Verschlossen. Wo mochte der Schlüssel sein?
»In der obersten Schublade der Anrichte«, soufflierte Lil im Geiste. »Dort, wo er immer ist, dumme alte Krähe.«
Doch Lavinia klopfte und kratzte an der Tür und versuchte es sogar
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