Leuchtendes Land
her. Ihre Schulter schmerzte von dem Sturz auf die Veranda, Kehle und Brust brannten von dem eingeatmeten Rauch.
»Holt eine Trage!«, schrie Jordan und setzte seine Wiederbelebungsversuche fort. Er beugte sich über die bewusstlose Frau und blies ihr seinen Atem in den Hals, bis sie hustete und würgte. Er verzog das Gesicht und wich zurück.
»Hat sie wieder gesüffelt?«, fragte er Lil im Flüsterton, die daraufhin nickte.
»Ist auch gut so«, sagte Jordan leise, während er Lavinia untersuchte. »Sie hat schlimme Brandwunden, spürt sie aber noch nicht. Außerdem steht sie unter Schock. Bei dir alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte Lil und schluckte. »Ich habe nur Rauch eingeatmet und mir die Schulter geprellt.«
Jordan schaute sie neugierig an. »Warum bist du mit ihr durch die Glastür gerannt? Ihr hättet doch den anderen Ausgang nehmen können. Es brennt nur an der Fensterseite.«
»Mir blieb keine Wahl. Sie ist einfach auf die Glastüren zugelaufen. Sieh dir ihre Hand an. Sie hat den Türgriff angefasst und konnte sich nicht mehr von der Stelle rühren.« Lil holte tief Luft. »Ich hoffe, ich habe ihr nicht zusätzlich weh getan, aber dieser Weg erschien mir am kürzesten.«
»Gut gemacht. Bleib bei ihr, bis sie die Trage bringen. Sie sollen sie in mein Haus schaffen. Auf keinen Fall darf jemand versuchen, sie auszuziehen, die Kleider kleben vermutlich am Körper fest. Ihr müßt unbedingt auf den Arzt warten.«
Lil beobachtete, wie der von Pferden gezogene Wasserwagen zum Haus fuhr und Männer mit Schläuchen und Eimern das Feuer bekämpften. Zu ihrem Entsetzen hatte sich der Brand noch weiter ausgebreitet. Welch eine Schande für dieses herrliche Haus!
Sie hörte Miss Lavinia stöhnen und sprach beruhigend auf sie ein, wagte allerdings nicht, sie zu berühren.
Erst auf dem Weg zu Jordans Haus wurde Lil bewusst, dass sie nur eine Bluse, Unterhosen und zerrissene Strümpfe trug. Peinlich berührt hielt sie sich hinter den Männern mit der Trage, die zum Glück in dieser Situation von anzüglichen Bemerkungen absahen. Bevor sie Miss Lavinia auf Jordans Bett legten, schnappte Lil sich eine Decke und wickelte sich darin ein.
»Wenn wir hier nichts mehr tun können, Miss, kehren wir zum Haus zurück.«
»Geht nur. Ich bleibe hier und warte auf den Arzt. Er lebt auf dem Nachbargut und müsste bald kommen.«
Lil saß niedergeschlagen in dem säuberlich aufgeräumten Schlafzimmer. Nach dem Streit mit ihrer Herrin waren ihre Tage auf Minchfield sicherlich gezählt. Wohin sollte sie nun gehen? Sie hätte sich am liebsten zu Mrs. Morgan und dem Baby geflüchtet und dort Trost gesucht. Erschöpft von den Strapazen wünschte sie sich, sie wäre in ihrer Unterkunft geblieben und hätte sich nicht in fremde Angelegenheiten gemischt. Dann wäre all das nicht passiert.
Zum Glück war Mr. Warburton anderer Ansicht. Er drückte Lil dafür, dass sie sich so mutig ins Feuer gestürzt hatte, um seine Schwester zu retten, seinen Dank aus.
»Ohne Sie wäre vielleicht das ganze Haus abgebrannt«, sagte er herzlich.
Lils Version, nach der sie in der Küche ein klirrendes Geräusch gehört und bald darauf Rauch gerochen habe, wurde allgemein akzeptiert, doch sie musste später noch Miss Lavinia gegenübertreten.
Lil und die Köchin waren an diesem Morgen ganz allein im Haus, da Mr. Warburton und der Arzt Miss Lavinia ins Krankenhaus nach Perth brachten. Der Ostflügel des Hauses lag in Schutt und Asche, während Küche und Vorratskammer verschont geblieben waren, da sie aus Stein gebaut waren und tiefer lagen als das Hauptgebäude.
»Ich vermute, das hier ist noch ein Teil des ursprünglichen Cottages«, bemerkte die Köchin bei einer Tasse Tee. »Erst als die Warburtons zu Geld gekommen waren, haben sie das eigentliche Herrenhaus gebaut.«
Lils Neugier war geweckt. »Wie sind sie so schnell zu Geld gekommen? Miss Lavinia ist erst um die fünfzig, ihr Bruder nur wenig älter.«
»Nicht sie haben den Reichtum erworben, sondern ihr Onkel Thomas G. Warburton. Er war Importkaufmann und besaß riesige Lagerhäuser in Fremantle. Ihm gehörte die halbe Hay Street. Sie befindet sich noch immer im Familienbesitz. Er kaufte damals das Ackerland hier draußen und lebte mit seiner Frau im Cottage, bis sie das große Haus errichteten. Angeblich wollte er sie damit für die Jahre der Armut entschädigen, in denen er den Grundstein für sein späteres Vermögen gelegt hatte. Sie sollte das schönste Haus weit und breit
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