Leuchtendes Land
mit einem Messer. Lil fragte sich, welchen Schnaps sie wohl mit nach oben nehmen und wie sie die Flasche am nächsten Morgen loswerden würde.
Endlich erhob sich ihre Dienstherrin keuchend vom Boden, stützte sich auf den Stock und sah sich im Zimmer um.
Ihr Blick fiel auf die Karaffen.
Sie griff nach dem nächstbesten Wasserglas, füllte es randvoll und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Als sie sich nachschenken wollte, trat Lil ins Zimmer und stellte seelenruhig ihre Lampe auf einen kleinen Tisch am Fenster.
»Was hast du hier zu suchen?«, schrie Lavinia aufgebracht. Ihre Aussprache war alles andere als deutlich.
»Ich brauche nicht lange, Madam«, erwiderte Lil. »Ich decke nur den Frühstückstisch.«
Sie holte das Tablett und machte sich in aller Gemütsruhe ans Werk.
»Raus hier! Du spionierst mir nach!«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte Lil ruhig und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
Sie hatte das Niedersausen des schweren Stocks vorausgeahnt und sprang zur Seite, wobei sie allerdings eine große Kristallvase mit Rosen zu Boden riss.
Lil bereute ihre törichte Einmischung, doch nun gab es kein Zurück mehr.
»Sieh, was du angerichtet hast«, zischte Miss Lavinia. »Dafür wirst du teuer bezahlen.«
»Nein, das werde ich nicht«, entgegnete Lil und brachte sich auf der anderen Seite des Tisches in Sicherheit. »Sie sind völlig betrunken. Legen Sie den Stock weg!«
»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen!«
Der Stock sauste erneut durch die Luft und krachte auf den Tisch nieder. Miss Lavinia verlor dabei das Gleichgewicht und taumelte gegen den Beistelltisch. Lils Lampe fiel zu Boden und entzündete die Vorhänge, die die Glastüren zur Veranda verdeckten.
»Vorsicht, die Vorhänge brennen!«, schrie Lil.
Lavinia, die mit dem Rücken zur Veranda stand, nahm die Warnung gar nicht wahr.
»Raus hier«, befahl sie, »ich werde mich morgen früh schon um dich kümmern.«
»Seien Sie nicht töricht!«, rief Lil. »Die Vorhänge stehen in Flammen!«
Der trockene alte Stoff brannte wie Zunder. Lil sah sich in Panik um, riss einen kleinen Teppich vom Boden hoch und versuchte damit die Flammen zu ersticken. Lavinia sah in ihrer Verwirrung nur den Teppich.
»Das ist ein Perserteppich! Leg ihn sofort wieder hin!«, kreischte sie.
Da trat Mr. Warburton ins Zimmer.
»Was für ein Lärm zu dieser Stunde!«, beklagte er sich.
»Feuer!«, schrie Lil. »Sehen Sie das denn nicht?«
Die Flammen züngelten bereits bis zur Decke empor und setzten die schweren Seitenvorhänge ebenfalls in Brand. Lil warf den Teppich weg und begann, die Möbel von den Wänden zu rücken. Es war kaum zu fassen, wie schnell sich dieses Feuer ausbreitete.
Obwohl sie noch ganz durcheinander war, rief Lavinia ihr Anweisungen zu. »Nicht diesen Stuhl! Den anderen! Nimm das Bild von der Wand. Mach die Glastüren auf!«
»Das geht nicht«, keuchte Lil. Der Rauch drang ihr in die Kehle, die Hitze war einfach zu groß. Es gelang ihr nicht, die schwere Anrichte, die bereits versengt war, beiseitezuschieben. Die Politur warf Blasen, und scharfe Dämpfe stiegen auf, so dass sie nur die tiefe Schublade mit dem kostbaren Tafelsilber herausziehen und im Flur abstellen konnte. Als sie die zweite Schublade holen wollte, sah sie Lavinia auf die Glastüren zulaufen, deren Rahmen sich schon verzogen. Die Scheiben barsten, und Glassplitter regneten auf den Boden.
»Nein!«, schrie Lil und verfluchte das überflüssige Mobiliar, während sie sich zu ihrer Herrin durchkämpfte. In der Ferne ertönte die Feuerglocke und vermischte sich mit Lavinias Schmerzensschreien. Sie hatte einen glühenden Türgriff aus Messing angefasst. Durch den dichten Rauch sah Lil, wie die entsetzte Frau ihre Hand umklammert hielt und nicht einmal zu bemerken schien, dass ihr Rock Feuer gefangen hatte.
»Kommen Sie zurück!«, brüllte Lil und zog sich in Erinnerung an lang vergangene Buschbrände Rock und Unterröcke aus. Sie wickelte sich den weichen Kaliko-Unterrock um den Kopf, holte tief Luft und stürzte sich in das Feuer, das inzwischen das halbe Zimmer erobert hatte. Sie packte ihre Dienstherrin um die Taille und warf sich mit ihr durch die zerborstene Tür. Sie prallten auf die Fliesen der Veranda, deren Decke ebenfalls schon in Flammen stand.
Lil rollte Lavinia über den Boden, um das Feuer zu ersticken. Männer kamen schreiend auf sie zugelaufen.
Jordan, der Vorarbeiter, hob Lavinia auf und trug sie auf den Rasen hinaus. Lil eilte hinter ihm
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