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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Gestern war sie bei Samuel, der noch bei seinen Eltern haust. Der wohnt im ausgebauten Dach. Mama findet es da total super, weil er so klasse Musik hört und eine Matratze auf dem Boden liegen hat. Das findet sie wild und unkonventionell. Und sie hat ihn auch schon zum Freestyle-Fighten begleitet. Alle lassen mich alleine. Na gut. Dann ist das eben so. Ich habe mich auch schon vorher alleine gefühlt. Seit ich denken kann, fühle ich mich allein, als könnte ich mich nie mit der Außenwelt verbinden.
    Ich komme an Arthurs Haus vorbei und kurz überlege ich, ob ich klingeln soll. Aber vermutlich wird er mich nicht hören, weil er im Garten an seinem Boot letzte Hand anlegt. Und jetzt vor einer geschlossenen Tür stehen
zu müssen, die sich einfach nicht öffnen will, das wäre definitiv zu viel für mich. Also ziehe ich unseren Haustürschlüssel hervor und plötzlich steht Papa schon wieder neben mir.
    Seine Augen sind aufgerissen, als könnte er selbst nicht glauben, was er jetzt sagt: »Schätzchen, ich liebe euch. Ich liebe euch alle. Dich, Constanze, Helmuth, meine kleine Enkelin Mimi - und ich liebe deine Mutter aus der Tiefe meines Herzens. Sie ist die großartigste Ehefrau, die man haben kann, auch wenn sie sich ständig Sorgen macht.«
    »Sie macht sich keine Sorgen mehr. Das ist vorbei.«
    »Gut, gut, gut. Bitte, ich will jetzt nicht mit reinkommen, ich kann jetzt nicht, also, ich will nicht kopflos erscheinen, aber bitte, bitte richte deiner Mutter aus, dass ich sie liebe, dass ich sie mehr als alles auf der Welt liebe - aus der Tiefe meines Herzens - und dass es mir leid tut. Und frag sie, ob sie mir noch mal verzeiht. Bitte.«
    »Okay.«
    »Machst du das wirklich, Schätzchen? Kann ich mich auf dich verlassen?«
    »Jep.«
    Danke.«
    Papa beugt sich zu mir rüber, gibt mir einen Kuss auf die Wange. Dann noch einen. Schließlich zieht er mich ganz zu sich heran und drückt mich wieder so kräftig an seine Brust wie letzte Woche zu meinem Geburtstag und flüstert: »Ihr seid mehr, als ich mir je zu wünschen gewagt hätte. Das weiß ich jetzt.«
    Damit verschwindet er hinter den Rosenbüschen. Wie ein Zauberkaninchen. Leute, ich stehe mal kurz neben mir. Das, was da eben Schräges gelaufen ist, muss langsam verarbeitet werden. War das überhaupt mein Vater
oder eine Fata Morgana? Ganz sicher bin ich gerade nicht. Vielleicht hatte er irgendwelche Pharmazeutika eingeworfen, die ihm seine Schönheitschirurgin zur Beruhigung verabreicht hat. Heutzutage weiß man ja nie. Ha! Und gerade, als ich benommen unsere Haustür aufschließen will, um mich selbst erst mal vorsorglich zur Beruhigung flach auf mein Bett zu legen - schließlich muss ich sortieren, was Papas Auftritt zu bedeuten hatte, damit ich Mama nicht voreilig Hoffnungen mache, wo am Ende keine sind -, geht wie durch ein Wunder bei Arthur die abgeblätterte Haustür auf und mein Freund tritt lächelnd heraus.
    »Lelle, da bist du ja endlich. Ich hab schon auf dich gewartet.«

11
    A rthur und ich liegen in seinem Zimmer nebeneinander auf dem Hochbett. Ich habe mir eine Jeans und einen Pulli von ihm ausgeliehen, weil mein Zeug total durchnässt war. Das hängt jetzt im Badezimmer zum Trocknen. Wir rauchen selbst gedrehte Zigaretten und sehen dabei irgendwie melancholisch an die weiße Zimmerdecke, die dicht über uns schwebt. Gerne würde ich mich zu Arthur drehen, mich eng an ihn schmiegen, meinen Kopf auf seine Brust legen und die Arme um ihn schlingen. Aber dann habe ich Angst, dass ich zu sehr spüre, wie er atmet. Dass ich sein Herz an meinem Ohr schlagen höre, ihn rieche und weiß, dass all das bald nicht mehr sein wird. Leute, ich will ihn nicht vermissen. Ich will keine Schmerzen. Ich will nichts spüren. Keine Trauer. Wenn ich mich darauf einlasse, wird es so sein, als würde mir ein Teil von mir genommen werden. Ich würde mich halb oder leer fühlen, so, als müsste ich von nun an durchs Leben humpeln. Auf der anderen Seite habe ich eben gerade durch das Geständnis meines Vaters lernen dürfen, dass offenbar nicht alles verloren ist, nur, weil es kurzfristig nicht vorhanden ist, sondern sich lediglich im Wandel befindet. Und vielleicht wendet sich ja tatsächlich alles zum Guten - wer weiß das schon?
    Arthur richtet sich etwas auf und drückt seine Zigarette in dem kleinen selbst getöpferten Tonuntersetzer aus, den
ich ihm vor fast drei Jahren zu Weihnachten geschenkt habe. Nachdem ich auch noch meine Zigarette darin ausgedrückt habe,

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