Leute, mein Herz glueht
Jahr.«
»Und wie lange hast du vor, hierzubleiben?«
Mein Freund zuckt mit den Schultern. »Ich fahre nicht mehr weg.«
Und Papa schnippt den Blinker wieder zurück. »Das heißt, du bleibst hier?«
»Ja?«
Arthur nickt und mein Vater nickt. Das wäre also schon mal geklärt. Danke, Papa! Manchmal schnallt er eben doch, wie er mir helfen kann.
Arthur stupst mich mit der Nase leicht an der Wange an und murmelt in mein Haar: »Freust du dich gar nicht, dass ich wieder da bin?«
Ich lächle noch ein bisschen gequälter, obwohl ich dachte, dass das schon nicht mehr möglich ist, und flöte mit hochgepitchter Stimme: »Natürlich freue ich mich, dass du wieder da bist. Ich muss mich nur erst wieder daran gewöhnen.«
Er atmet tief ein, und dann guckt er aus dem Seitenfenster, raus zur grauen Schallschutzmauer, die sich entlang der Schnellstraße zieht. Dann dreht er mir plötzlich wieder sein Gesicht zu und fragt mit ganz ruhiger Stimme: »Und? Hast du einen neuen Freund?«
Leute, es ist gerade so, als würde mein gesamter Kopf mit kleinen Kieselsteinen aufgefüllt werden. Bis oben hin. Das klickert aber lustig! Ich kann absolut keinen klaren Gedanken mehr fassen. Meine Zunge liegt wie gelähmt in meinem Mund, und ich weiß, dass mir der Verrat auf die Stirn geschrieben steht. Jetzt wäre die Gelegenheit günstig, ganz offen über alles zu sprechen, ohne Lüge. Ganz aufrichtig und ehrlich. Vor Papa. Was Angenehmeres kann ich mir kaum vorstellen. Doch da ich mich sowieso viel zu sehr schäme und Sorge habe, Arthur zu verletzen und ihn anschließend zu verlieren, schüttle ich hektisch meinen kieselgefüllten Kopf und stammle: »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich weiß nicht. Du wirkst etwas angespannt.«
»Ist das ein Wunder? Ich bin eben erst aus der Klinik gekommen.«
Jetzt reicht’s mir aber! Ein bisschen Rücksicht auf meinen labilen Zustand kann ich wohl erwarten, oder?
Arthur hebt beschwichtigend die Hände. »Ist ja schon gut. Erzählst du mir nachher ein bisschen davon?«
»Klaro.«
Ich lächle schon wieder so bescheuert rum und greife nach seinem kleinen Finger. Ich versuche ja, mich so unauffällig und normal wie möglich zu benehmen, aber ganz offenbar bin ich nicht so abgebrüht, wie es momentan vonnöten wäre. Ich lehne mich an seine Schulter und wünsche mir nichts sehnlicher, als dass die Verhältnisse geklärt wären und ich nie und nimmer Johannes kennengelernt hätte. In dem Fall wüsste ich nämlich gar nicht, dass es ihn gibt. Was mir momentan sehr recht wäre. Dann hätte ich echt kein Problem. Ich schließe die Augen, und als ich sie wieder öffne, fahren wir an der Siedlung entlang, an Alices riesigem Haus mit dem neuen gigantischen Wintergarten vorbei, wo sie mit ihrer Schwester Susanna und der blöden Rita ohne Ehemann wohnt.
Papa parkt ein Stück weiter die Straße runter, unter den orange gefärbten Bäumen und sagt: »Alles aussteigen. Wir sind da.«
Während Arthur noch seine riesige Tasche aus dem Kofferraum zieht und sich mit Papa angeregt über die leuchtenden Farben des Herbstes unterhält, gehe ich schon mal vor und bleibe unter dem Baum vor unserer Haustür stehen. Die Blätter haben sich über Nacht knallrot gefärbt. Ich atme ein und aus. Der Atem bleibt als feiner Nebel in der Luft stehen. Und als hätte Alice nur auf Arthurs Ankunft gewartet, kommt sie plötzlich auf ihrem City-Tiefeinsteiger-Damenrad um die Ecke geflitzt und bremst direkt neben mir ab.
»Na?«
Zur Feier des Tages hat sie knallpinken Lippenstift und dunkelrotes Rouge aufgetragen. Das sieht richtig crazy aus. Wahrscheinlich hat sie sich auch noch Wollsocken in ihren BH gestopft, um wie eine echte Sexbombe rüberzukommen. Keine Ahnung, wen sie mit diesem Aufzug hinterm Ofen vorlocken will. Wahrscheinlich hofft sie darauf, ihrem Schwarm Johannes zu begegnen. Daraus wird nichts, Tantchen! Der sitzt zu Hause und bangt um seinen Platz an meiner Seite. Sie sollte sich also ganz hinten anstellen.
Alice quäkt: »Und? Wo ist er?«
»Wer?«
»Na, Arthur.«
»Keine Ahnung.«
Zusätzlich zu ihrem Horror-Make-up hat sie sich noch solche Omahaarspangen mit violetten Glitzersteinen in die Haare geklemmt. Passend dazu trägt sie ihre roten Lackschuhe und die karierte Stoffhose, die sie für ultramodisch hält. Alice bekommt mit Abstand die hässlichsten Klamotten zum Anziehen, die man sich vorstellen kann. Die würde ich nicht mal zu Fasching anziehen. Einmal habe ich Rita sogar dabei beobachten dürfen,
Weitere Kostenlose Bücher