Leute, mein Herz glueht
wie sie sich neben der Bushaltestelle am Altkleidercontainer zu schaffen gemacht hat. Wirklich. Ich lüge nicht.
Plötzlich streckt Alice ihren Zeigefinger in Richtung Straßenrand aus. »Da ist er doch! Dahinten am Auto! Mit deinem Vater!«
Ich drehe mich kurz zu ihnen um. »Tatsächlich.«
Ich tue ein bisschen erstaunt und Alice ruft die Straße runter: »Huhu!«
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Arthur so ein bisschen freundlich zurückwinkt. Papa reagiert gar nicht. Er kann die Weidemanns nicht ausstehen. Er meint: »Diese Rita ist ein alter Raffzahn.« Und das stimmt. Damit sie richtig Knete scheffeln kann, wird Alice immer öfter von ihr gezwungen, irgendwelche Hauskonzerte auf dem Klavier zu geben, für die die geladene Nachbarschaft dann kräftig Eintritt bezahlen muss. Zum Ausgleich serviert Susanna für jeden ein Glas Rotwein aus dem Tetrapak - von dem man, so hörte ich, entsetzliche Kopfschmerzen bekommt. Heute Abend ist übrigens auch wieder so ein Konzert. Mama will, dass wir alle hingehen. Unnötig zu erwähnen, dass sogar sie - als Ritas beste Freundin - für das Geklimper blechen muss. Eigentlich erwartet Rita sogar eine Extraspende von Mama - eben weil sie ihre beste Freundin ist. Verrückt, diese Erwachsenen!
Außerdem habe ich jetzt leichte Sorge, dass Alice Arthur von Johannes erzählen wird. Sie klammert sich an ihrer blöden Lenkstange fest und ich spüre es deutlich: Die ist nur hier, um Unfrieden zu stiften.
Ich sage also total entspannt: »Und? Warum bist du schon so früh auf den Beinen?«
Und sie, so als hätte ich gar nichts gesagt: »Apropos: Hast du es Arthur schon gebeichtet?«
»Was meinst du?«
»Na, dass du einen neuen Freund hast.«
»Ich habe keinen neuen Freund.«
»Und was ist mit dem ›so genannten‹ Johannes? Ist das nicht dein neuer Freund?«
»Nein.«
»Deine Mutter hat aber meiner Mutter erzählt, dass das dein neuer Freund ist. Und sie hat auch erzählt, dass er sich gestern den ganzen Tag nicht bei dir gemeldet hat und dich auch nicht vom Bahnhof abgeholt hat. Darum hat sich deine Mutter totale Sorgen gemacht, dass du ›rückfällig‹ wirst.«
»Hä?«
»Na, dass du wieder mit deinem Hungern anfängst. Deine Mutter hat gesagt, dass sie dann voll durchdreht.«
»Okay, Alice. Vielen Dank für die Infos.«
Unter uns Leute, ich wäre jetzt so weit, im Erdboden zu versinken.
Sie glupscht mich voll blöd an. »Keine Ursache. Also: Hast du es Arthur schon gebeichtet?«
»Nein.«
»Wann willst du es ihm beichten?«
»Mal sehen.«
Ich atme tief ein und leide unter echten Beklemmungen in der Brustgegend. Durch meinen Kopf fegt ein Wirbelsturm, mir ist jetzt richtig übel. Arthur und Papa kommen den Weg runter und für mich gibt es kein Entkommen. Alice wird über mein Schicksal entscheiden.
Papa und Arthur bleiben vor uns stehen und mein Freund nickt Alice zu. »Lange nicht gesehen.«
Die grinst gleich wieder wie Dora Explora persönlich rum und meint adrett: »Das kannst du laut sagen. In der Zwischenzeit hat sich viel getan.«
»Ach ja? Ich habe gesehen: Ihr habt einen neuen Wintergarten.«
Alice macht schon ihren Schnabel auf, um mein Geheimnis in die Welt hinauszutröten, da schiebe ich mich schnell nach vorne und erkläre: »Ihre Eltern haben sich überraschend getrennt.«
Vor Schreck kriegt meine ehemalige Freundin ihre pink geschminkten Lippen nicht mehr zu. Wie so ein alter Karpfen schnappt sie affektiert nach Luft.
Ich sage ziemlich cool: »See you later, alligator. Und schöne Grüße an deine Mutter.«
Dann grapsche ich nach Arthurs sonnengebräuntem Arm und ziehe ihn die Stufen zu unserer Haustür rauf. Alice schwingt sich eilig auf ihre Klapperchaise und Papa macht im Hintergrund noch ein bisschen an den verwelkten Rosen rum. Wahrscheinlich hat er wieder eine Blattlaus entdeckt oder so.
Doch als ich gerade auf unsere Klingel drücken will, zappelt Arthur plötzlich nervös auf dem Fußabtreter rum und meint aus heiterem Himmel: »Ich muss nebenan mal eben nach dem Rechten sehen. Ich komme gleich nach.«
Ich schlucke und sage: »Okay.«
Und schon springt Arthur die Stufen wieder runter und läuft total schnell zu sich nach drüben. Das ist der Hammer, Leute. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Ich befürchte, er weiß intuitiv über meine unlauteren Machenschaften Bescheid. Der spürt, dass was nicht stimmt. Darum ist er ja schließlich auch mein Freund. Wegen seiner feinfühligen Ader. Scheiße.
»Wo will er denn hin?« Papa
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