Level 4 07 - 2049
auszusetzen, blieben die Menschen lieber unten und erfreuten sich an künstlichen Sonnenstrahlen mit künstlichen Gärten, Stränden und Landschaften, insbesondere da der Himmel vor Laser- und Holografie-Show-Werbung ohnehin nicht mehr zu sehen war.
Die Wolkenkratzer waren also in Wirklichkeit erheblich größer, als die Kinder auf der Oberfläche vermuten konnten, denn dort, wo normalerweise das Erdgeschoss zu finden war, handelte es sich häufig schon um die zehnte oder elfte Etage eines Hauses.
So befand sich auch das Ziel ihrer kurzen Fahrt unterirdisch: die Zentrale einer der mächtigsten I.C.I.E des Landes, dessen Chef Kosinus’ Vater war.
Die Kinder hatten noch immer nicht so recht verstanden, woraus so eine I.C.I.E. eigentlich bestand. Dabei war es ganz einfach: Während man im zwanzigsten Jahrhundert noch auswählen musste, ob man sich eine Zeitung am Kiosk kaufte, ein Buch lesen oder eine Rundfunksendung hören wollte, ob man sich ins Internet einloggte oder lieber eine Fernsehsendung ansah,genügte es im Jahre 2049, seinem Bildschirm etwas von Infomodus vorzumurmeln – egal, ob es sich um den Bildschirm daheim oder den im Anzugärmel handelte. Wahlweise bekam man dann einen Überblick über die aktuellsten Nachrichten entweder aus aller Welt, aus der eigenen Region oder woher auch immer. Ebenso konnte man bestimmen, ob man nun Informationen zu einem bestimmten Thema suchte oder nur allgemein über Neuigkeiten informiert werden wollte. Je nach Benutzerführung bekam man diese Informationen als holografische Filme, schriftlich oder als Audio-Dateien. Selbstverständlich konnte man sich Auszüge, Kopien, Zitate oder ganze Texte oder Sendungen sofort auf seinen Rechner zu Hause speichern lassen, um sie später noch einmal in Ruhe auszuwerten.
Während er aus dem Abwasserkanal hinauskletterte und Miriam die Hand reichte, um ihr hochzuhelfen, brachte der alte Mann noch einmal auf den Punkt, was sie vorhatten: »Ihr werdet also in einer Art Talk-Show, wie ihr es früher genannt habt, auftreten und erzählen, was mit euch geschehen ist.«
Jennifer war von dieser Idee nicht gerade sehr begeistert. Sie hatte früher schon die Sendungen gehasst, in denen die Mitwirkenden ihre intimsten Angelegenheiten ins Mikrofon rülpsten, nur um mal im Fernsehen auftreten zu können. Noch ekelhafter als die halb garen Primaten mit Kunststoff-Perücke und Sonnenbrille, die sich für’n Fuffi live die Köpfe einschlugen, hatte Jennifer immer jene empfunden, die sich solche verbalen Schlammschlachten auch noch mit Vergnügen ansahen.Und jetzt sollte sie selbst in so einer Sendung auftreten?
Jennifer klopfte sich den Anzug ab, obwohl das nicht nötig war. Es war eine unwillkürliche Bewegung aus ihrer Zeit, in der sich die Kleidung noch nicht selbst reinigte.
Außerdem war ja die Frage, wer sich überhaupt so etwas anschaute, wenn man doch so eine große Auswahl von Informations- und Unterhaltungssendungen hatte.
Der alte Mann schmunzelte. »Die große Auswahl ist nur die eine Seite der Medaille«, erklärte er. »Die andere ist die Macht des Medienkonzerns!«
Ben wurde hellhörig. Während er nachfragte, was mit dieser Macht gemeint war, blickte er sich um, wo sie überhaupt angekommen waren.
Sie standen in einem kahlen Treppenhaus, aus dem auf dieser Ebene nur eine Tür hinausführte.
»Nun ja«, erklärte der alte Mann. »Der Konzern bietet gegen Geld die große Vielfalt an, die man mit seinem Bildschirm empfangen kann. Aber natürlich kann der Anbieter mit einem einzigen Knopfdruck bei besonderen Anlässen auch über alle Kanäle eine einzige Information laufen lassen. Ihr kennt so etwas wohl noch vom Verkehrsfunk im Radio aus eurer Zeit. Heutzutage ist es dann egal, ob du gerade ein elektronisches Buch liest, einen Film siehst, eine Show anschaust, die neuesten Börsenkurse studierst oder nur Musik hörst. Überall taucht dann die Information auf. Natürlich nur bei jenen, die Abonnenten dieses Medienkonzernssind. Aber das sind ja weltweit immerhin 2,3 Milliarden Haushalte.«
»Wie viele?«, rief Ben überrascht.
Der alte Mann wiederholte die Zahl.
»Das Interview mit uns sehen dann 2,3 Milliarden Menschen?«, hauchte Miriam. Eine so gewaltige Zahl vermochte sie sich kaum vorzustellen.
»Nein!«, korrigierte Kosinus. »2,3 Milliarden Haushalte, das sind dann ungefähr 4 Milliarden Menschen. Wenn es keine Kooperation mit den anderen großen Medienkonzernen gibt. Bei einer gemeinsamen Sonderschaltung erreicht man
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