Level 4.2 - Zurück in der Stadt der Kinder
Truppenübungsplatz der Bundeswehr
während eines Manövers an.Vielleicht klang ein Krieg so. Sie wussten es nicht. Es ballerte und knallte durch die Häuserschluchten, die die Schüsse akustisch
um ein Vielfaches verstärkten. Schon unter normalen Umständen wäre Jennifer der Schreck in die Glieder gefahren. Wenn Schüsse
fielen, verhieß es niemals etwas Gutes. Aber jetzt war es noch schlimmer. Es gab nur Kinder in der Stadt. Wenn Schüsse fielen,
hieß es, Kinder schossen auf Kinder!
Es hätten auch wenige Kinder sein können, die sich aus einem Geschäft ein paar Waffen besorgt hatten und diese übermütig ausprobierten.
Das wäre irrsinnig gewesen, doch Jennifer hoffte fast, dass es sich so verhielt. Aber sie musste zugeben: So hörte es sich
nicht an.
»Wo kommt das her?«, fragte Miriam.
Eine gute Frage, fand Jennifer. Die Schüsse waren nicht zu orten. War eine Salve verklungen, so hätte sie schwören können,
die Schüsse waren hinter ihr gefallen, doch schon bei der nächsten glaubte sie ebenso fest, sie von vorn gehört zu haben.
Da klingelte das Handy in Jennifers Tasche.
Es war Ben. »Wo seid ihr?«, fragte er aufgeregt.
Jennifer erklärte es ihm und auch, was bisher vorgefallen war und dass sie jetzt Schüsse hörten, die sie nicht lokalisieren
konnten.
»Die Schüsse kommen von hier, vom Wasserwerk!«, antwortete Ben.
»Was?«
Ben, Frank, Achmed und Thomas hatten sich in einen Winkel verkrochen und Koljas Ansprache gelauscht. Was sie hörten, war schier
unglaublich. Aber alle vier hatten es mit eigenen Ohren gehört: Kolja hatte die anwesenden Vermummten dazu aufgerufen, mit
Waffengewalt den König zu stürzen! Seine Anhänger ballerten begeistert in die Luft, und dann machten sie sich auf zum Rathaus.
Die Überflutung der Stadt sollte Chaos in der Stadt verbreiten, damit die Verschwörer dann ungestört das Rathaus stürmen konnten.
»Das Rathaus?«, rief Jennifer dazwischen. »Wieso denn das Rathaus?«
»Offenbar halten sie es für den Sitz des Königs, weil es in unserer Stadt kein Schloss gibt!«, vermutete Ben.
»Ein König residiert niemals im Rathaus!«, erwiderte Jennifer.
»Bist du sicher?«
Jennifer war sich sicher.
»Warum wollen die denn den König stürzen?«, fragte Miriam.
»Was weiß ich?«, brüllte es aus Jennifers Handy heraus. So aufgeregt hatte sie Ben lange nicht gehört. »Ich weiß ja nicht
einmal, warum es einen König gibt, was er zu sagen hat, wo er herkommt und wieso Kolja plötzlich Chef der vermummten Bande
geworden ist. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Ich weiß nur, dass die . . .«
»Was ist?«, brüllte Jennifer in ihr Mobiltelefon. »Ben! Ben?«
Sie hörte eine neue Salve Schüsse!
»Scheiße!«, kam es aus dem Telefon.
»Wir kommen euch entgegen!«, entschied Jennifer.
»Nein! Nein!«, erwiderte Ben.
Dann war Stille.
»Hallo?«, fragte Jennifer. Keine Antwort. »BEN!«, kreischte sie.
Abwesend, als könnte sie bis ins Universum schauen, glotzte Jennifer das Telefon an. Dann hatte sie sich wieder gefangen:
»Wir müssen zum Rathausplatz. Sofort!«
Genauso hätte Miriam auch entschieden. Wenn ihre Freunde in Gefahr waren, dann gab es kein Zögern. Nur ein Blick auf die über
hundert Kinder, die fleißig die Barrikaden gebaut hatten, ließ sie stutzen.
»Alle?«, fragte Miriam.
Jennifer hatte darüber nicht nachgedacht. Sie wusste nicht, was auf dem Rathausplatz los war. Sie wusste jetzt nur, von dort
kamen die Schüsse und Ben schien in Gefahr zu sein.
»Lieber nicht!«, sagte sie deshalb und wollte gerade aufbrechen.
Miriam hielt sie zurück. »Aber was sollen sie denn sonst tun? Wenn wir sie hier stehen lassen, werden sie vielleicht wieder
zu so idiotischen Figuren, die sich als Verkäufer oder Busfahrer fühlen!«
Jennifer biss sich auf die Lippen, wie immer, wenn sie intensiv nachdachte. Offenbar gab es in dieser Stadt einen König, der
alle manipulierten Figuren zu seinen Anhängern zählte. Kolja versuchte anscheinend, das Problem mal wieder mit Gewalt zu lösen,
indem er eine Horde Vermummte mobilisierte, die durch die Stadt zog und um sich ballerte. Alle die, die der geheimnisvolle
Spieler noch nicht manipuliert hatte, gehörten demnach weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe.
»Wir machen eine dritte Gruppe auf!«, sagte Jennifer plötzlich.
Miriam begriff nicht. »Was denn für eine dritte Gruppe?«
»Die sollen alle ins Museum gehen!«, befahl Jennifer. »Ich hoffe, Thomas hat
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