Level 6 - Unsterbliche Liebe
nimmer eines zweiten Blickes gewürdigt. Immerhin war ich nur eine Taschendiebin, die dem falschen Typ das Portemonnaie gestohlen hatte. Selbst als mein Vater noch an der Universität gelehrt hatte, war ich nicht in einem so schicken Gebäude wie diesem gewesen.
Doch genau dorthin brachten sie uns.
Ich versuchte, mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Alles, damit ich nicht darüber nachdachte, wie schlimm die Sache enden konnte. Wie Rogan schon gesagt hatte: Er war sich nicht sicher gewesen, wie wir in das Gebäude hineingelangen sollten. Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Sehr streng. Um uns dem Eingang bis auf fünfzehn Meter zu nähern, mussten wir schon an zwei Kontrollpunkten und einer bewachten Sicherheitsstation vorbei.
Das Auto kam neben einer schwarzen Seitentür zum Stehen. Ein Mann in einer weißen Jacke sprühte Rogan irgendetwas ins Gesicht. Rogan schreckte aus dem Schlaf hoch. Augenblicklich schien jeder Muskel in seinem Körper angespannt zu sein, bis er mich entdeckte. Unsere Blicke trafen sich und schienen miteinander zu verschmelzen.
„Geht es dir gut?“, lauteten seine ersten brummigen Worte. Ich hätte ihn dasselbefragen sollen.
„Nein. Genau genommen sind wir beide total am Arsch.“
Er grinste. „Ich glaube, du hast wahrscheinlich recht.“
„Mund halten“, stieß einer der Männer aus.
Aufgebracht funkelte ich ihn an, verkniff mir jedoch, ihm entgegenzubrüllen, er könne mich mal. Wir steckten schon genug in Schwierigkeiten. Ich wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
Die hintere Tür des Wagens wurde geöffnet, und wir wurden von unseren Sitzen gezerrt.
„Bewegt euch“, befahlen sie uns.
Wir bewegten uns. Durch die Tür und in das kühle Innere des Gebäudes.
„Wir sind drin“, meinte Rogan. „Sollten wir jetzt feiern? Oder sollten wir bis später warten?“
Ich warf ihm einen grimmigen Blick zu. Wie konnte er in diesem Moment Witze reißen? Doch die leichte Belustigung in seiner Stimme erreichte seine ernste Miene nicht.
„Haltet die Klappe.“ Einer der Männer rammte Rogan den Lauf seiner Waffe in den Rücken, während wir den langen nackten Flur entlangliefen. Der weiß geflieste Boden quietschte unter meinen Stiefeln. „Ich will es nicht noch einmal wiederholen müssen.“
Meine Schritte verlangsamten sich, als ich erkannte, wer dort am Ende des Korridors auf uns wartete.
Es war Gareth Ellis. Er stand neben einem Lift. Die Beine hatte er leicht gespreizt, die Arme vor dem teuren schwarzen Businessanzug verschränkt. Seine blaugrünen Augen verengte er zu schmalen Schlitzen, während wir auf ihn zukamen.
„Willkommen zurück, Sohn“, begrüßte er, als Rogan vor mir so unsanft in den Aufzug gestoßen wurde, dass er mit der Schulter gegen die Wand krachte.
„Sohn?“, presste Rogan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Bin ich das für dich? Bist du dir da sicher?“
„Das bin ich.“ Gareth verzog den Mund zu einem merkwürdigen Lächeln und wandte den Blick dann zu mir. „Warum? Hast du etwas anderes gehört?“
Ein Stoß in meinen Rücken veranlasste mich dazu, ebenfalls in den Lift zu steigen. Vier Männer in weißen Jacken drängten sich zu uns in den Aufzug. Als Letzter stieg Gareth hinein, und die Türen schlossen sich. Bisher hatte Klaustrophobie nicht zu meinen Ängsten gehört, doch ich spielte mit dem Gedanken, auch diese Phobie in meine immer länger werdende Liste aufzunehmen.
Wir waren im Erdgeschoss eingestiegen, aber der Lift fuhr mit uns weiter nach unten.
Joe hatte uns erzählt, dass der Raum mit dem KI-Server im zweiten Untergeschoss war. Diese Mistkerle hatten keine Ahnung, dass sie uns nur weiter in die Nähe des Ortes brachten, an den wir wollten.
Der Aufzug hielt an, und die Türen glitten auf. Dahinter erblickten wir noch mehr Weiß.
Beinahe geräuschlos verließ Gareth den Lift, und ich spürte einen so festen Griff um meinen Oberarm, dass ich kurz fürchtete, meine Knochen würden brechen. Einer der Männer zog mich einen weiteren Flur entlang.
Alles war weiß. Und alles roch nach einem Desinfektionsmittel mit Zitronenduft.
Noch nie hatte makellose Sauberkeit für mich mehr nach Tod ausgesehen.
„Wohin bringt ihr uns?“, wollte Rogan wissen.
Der Weißkittel schlug mit seiner Waffe auf Rogans Hinterkopf. Nicht stark genug, um ihn bewusstlos zu schlagen, doch mit Sicherheit stark genug, um ihm Schmerzenzuzufügen.
Rogan warf dem Mann einen unverhohlen wütenden Blick zu. „Wenn Sie das noch
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