Lewis, CS - Narnia 6
dachte sie nicht. Sie fühlte sich jetzt wie ein gejagtes Tier; solange die Hunde meute hinter ihr her war, musste sie rennen, bis sie umfiel.
Der Moorwackler war an der Spitze. Als er zur e r sten Stufe kam, blieb er stehen, schaute nach rechts und schlüpfte plötzlich in ein kleines Loch oder einen Riss darunter. Seine langen Beine, die darin ver schwan den, sahen aus wie Spinnenbeine. Eusta chius zögerte und verschwand dann hinter ihm. Atemlos und taumelnd kam Jill eine Minute später an der Stelle an. Es war ein hässliches Loch – ein Riss zwischen der Erde und dem darüber liegenden Stein, einen knappen Meter lang und kaum mehr als dreißig Zentimeter hoch. Man musste sich flach auf den Bauch legen und hineinkriechen. Und das ging auch nicht gerade sehr schnell. Jill war sicher, dass sich Hundezähne in ihre Ferse graben würden, noch bevor sie drinnen war.
»Schnell, schnell, Steine! Füllt die Öffnung auf!«, ertönte Trauerpfützlers Stimme neben ihr im Dunkeln. Abgesehen von dem grauen Licht in der Öffnung, durch die sie gekrochen waren, war es drinnen raben schwarz. Die anderen beiden arbeiteten angestrengt. Jill konnte die kleinen Hände von Eustachius und die großen froschartigen Hände Trauerpfützlers sehen, die sich schattenhaft gegen das Licht abhoben, während sie sich verzweifelt bemühten Steine aufzuhäufen. Dann wurde ihr klar, wie wichtig das war, und sie suchte ebenfalls tastend nach großen Steinen und reichte sie den anderen. Noch bevor die bellenden und kläffenden Hunde vor der Öffnung angelangt waren, hatten sie diese schon weitgehend gefüllt und jetzt gab es natü r lich überhaupt kein Licht mehr.
»Weiter hinein, rasch!«, erklang Trauerpfützlers Stimme.
»Wir sollten uns an den Händen fassen«, schlug Jill vor.
»Gute Idee«, meinte Eustachius. Aber sie brauchten ein ganzes Weilchen, bis sie die jeweiligen Hände in der Dunkelheit gefunden hatten. Die Hunde schnup perten jetzt auf der anderen Seite des Steinwalls.
»Versucht, ob wir aufrecht stehen können«, schlug Eustachius vor. Das taten sie und stellten fest, dass es ging. Trauerpfützler hatte eine Hand nach hinten g e streckt zu Eustachius, dieser reichte eine Hand zurück zu Jill (die sich sehr gewünscht hätte, sie ginge in der Mitte und nicht am Schluss) und so tasteten sie sich stolpernd vorwärts in die Dunkelheit hinein. Der U n tergrund bestand aus losem Gestein. Dann stieß Tra u erpfützler an eine Felsenwand. Sie wandten sich leicht nach rechts und gingen weiter. Noch mehr Biegungen und Kurven folgten. Jill hatte inzwischen die Orienti e rung völlig verloren und hatte keine Ahnung mehr, wo der Höhleneingang lag.
»Die Frage ist«, kam Trauerpfützlers Stimme von vorne aus der Dunkelheit, »ob es nicht alles in allem besser wäre, zurückzugehen – wenn wir können – und den Riesen bei ihrem Fest einen Leckerbissen zu bere i ten, statt uns im Innern eines Berges zu verirren, wo es mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn zu eins Drachen und tiefe Löcher und giftige Gase und Wasser und – huch! Lasst los! Rettet euch! Ich bin …«
Danach geschah alles ganz schnell. Ein verzweifelter Schrei ertönte, ein raschelndes, staubiges, kiesiges G e räusch war zu hören, Poltern von Steinen, und Jill rutschte, rutschte, rutschte ohne jede Hoffnung, rutsc h te, von Sekunde zu Sekunde schneller werdend, einen Abhang hinab, der von Sekunde zu Sekunde steiler wurde. Es war kein glatter, fester Abhang, sondern er bestand aus kleinen Steinen und Erde. Selbst wenn es ihr gelungen wäre, sich aufzurappeln, hätte dies doch nichts genutzt. Jeder Fleck, auf den sie den Fuß gesetzt hätte, wäre unter ihr weggerutscht und hätte sie mit hinuntergetragen. Aber Jill lag eher, als dass sie stand. Und je weiter die drei rutschten, desto mehr Steine und Erde rissen sie mit und so rutschte alles (einschließlich der drei) immer schneller, immer lauter, immer staub i ger und immer schmutziger. Aus den spitzen Schreien und den Flüchen der beiden anderen schloss Jill, dass viele der Steine, die sie los gelöst hatte, die anderen beiden hart trafen. Inzwischen hatte Jill ein rasendes Tempo erreicht und sie war sicher, am Grund in Stücke zerschmettert zu werden.
Aber aus irgendeinem Grund geschah das nicht. Sie hatte viele Abschürfungen und das nasse, klebrige Zeug auf ihrem Gesicht schien Blut zu sein. Und um sie herum waren so viel lose Erde und Kies und so vi e le größere Steine aufgeschüttet (teilweise war sie
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