Lewis, CS - Narnia 6
keine Erdmänner in der Nähe waren. Dann gingen sie alle zurück in den Raum, wo sie gegessen hatten.
Die Haupttür war jetzt geschlossen und verdeckte den Vorhang, durch den sie zu Anfang hereinge kommen waren. Der Ritter saß in einem eigenartigen silbernen Sessel. Er war an seinen Knöcheln, Knien, Ellbogen, Handgelenken und um die Taille daran fes t gebunden. Auf seiner Stirn stand der Schweiß und sein Gesicht war voller Angst.
»Kommt herein, Freunde«, sagte er und schaute rasch auf. »Der Anfall hat mich noch nicht ergriffen. Macht keinen Lärm, denn ich habe diesem neugierigen Naseweis gesagt, ihr wärt zu Bett gegangen. Nun … ich spüre, wie er naht. Rasch! Hört mir zu, solange ich mich noch unter Kontrolle habe. Wenn mich der Anfall packt, kann es sein, dass ich euch mit Schmeicheleien und mit Drohungen bitten und anflehen werde, meine Fesseln zu lösen. Man hat mir gesagt, dass ich das tue. Ich werde euch bestürmen, bei allem, was euch lieb ist, und bei allem, was euch Angst macht. Aber hört nicht auf mich. Verhärtet euer Herz und verschließt eure O h ren. Denn solange ich gefesselt bin, seid ihr sicher. Aber sobald ich diesen Stuhl verlasse, überfällt mich zuerst der Zorn, und dann« – er schüttelte sich –»verwandle ich mich in eine abscheuliche Schlange.«
»Ihr braucht keine Angst zu haben, dass wir Euch losbinden«, erklärte Trauerpfützler. »Wir hegen nicht den Wunsch, es mit einem wilden Mann aufzunehmen – und auch nicht mit einer wilden Schlange.«
»Ganz recht«, meinten Eustachius und Jill gemein sam.
»Trotzdem«, fügte Trauerpfützler flüsternd hinzu, »sollten wir da nicht allzu sicher sein. Wir müssen uns vorsehen. Denn bei allem anderen haben wir versagt. Es sollte mich nicht wundern, wenn er jede List a n wendet, sobald sein Anfall angefangen hat. Können wir einander vertrauen? Wir sollten uns das Verspre chen geben, dass wir diese Fesseln nicht anrühren werden, was er auch immer sagen mag. Was er auch immer s a gen mag, hört ihr?«
»Auf jeden Fall!«, sagte Eustachius.
»Nichts, was er sagt oder tut, wird mich dazu bri n gen, meine Meinung zu ändern«, sagte Jill.
»Pst! Da geschieht etwas!«, flüsterte Trauerpfützler.
Der Ritter stöhnte. Sein Gesicht war aschfahl und er wand sich in seinen Fesseln. Und ob es deshalb war, weil sie Mitleid mit ihm hatte oder aus einem anderen Grund, Jill fand, dass er jetzt netter aussah als jemals zuvor.
»Ah!«, stöhnte er. »Zauberei, Zauberei… das schwe re verstrickende, kalte Netz böser Magie! Lebendig begraben. Unter die Erde verschleppt, hinunter in die schwarze Dunkelheit … wie viele Jahre ist es her? … Habe ich zehn Jahre oder tausend Jahre im Abgrund gelebt, umgeben von Wurmmenschen? Oh, habt Gnade mit mir. Lasst mich hinaus, lasst mich zurück! Lasst mich den Wind spüren und den Himmel sehen … Da gab es einen kleinen Teich. Wenn man hineinschaute, sah man im Wasser all die auf dem Kopf stehenden Bäume, ganz grün – und tief, ganz tief unter ihnen den blauen Himmel.«
Er hatte mit leiser Stimme gesprochen. Jetzt schaute er auf, richtete die Augen auf sie und sagte laut und klar:
»Rasch. Ich bin jetzt bei klarem Verstand. Jede Nacht bin ich bei klarem Verstand. Wenn ich nur aus diesem verwunschenen Stuhl herauskönnte, dann wü r de es so bleiben. Dann wäre ich wieder ein Mann. Doch jede Nacht fesseln sie mich und so verstreicht die Gelegenheit jede Nacht ungenützt. Aber ihr seid keine Feinde. Ich bin nicht euer Gefangener. Rasch! Schnei det die Fesseln durch!«
»Bleibt fest! Gebt nicht nach!«, sagte Trauerpfützler zu den beiden Kindern.
»Ich flehe euch an mich anzuhören«, rief der Ritter. Er zwang sich ruhig zu sprechen. »Haben sie euch g e sagt, ich würde euch töten und mich in eine Schlange verwandeln, wenn ihr mich von diesem Stuhl befreit? Ich sehe es euren Gesichtern an, dass sie das getan h a ben. Es ist eine Lüge. Zu dieser Stunde bin ich bei kl a rem Verstand: Zur übrigen Zeit bin ich verzaubert. Ihr seid weder Erdmänner noch Hexen. Warum solltet ihr auf deren Seite sein? Ich flehe euch an, durch schneidet meine Fesseln!«
»Bleibt fest! Bleibt fest! Bleibt fest!«, sagten die drei Reisenden zueinander.
»Oh, ihr habt ein Herz aus Stein«, stöhnte der Ritter. »Glaubt mir, ihr seht vor euch einen Unglücklichen, der mehr gelitten hat, als ein Sterblicher ertragen kann. Was habe ich euch getan, dass ihr euch auf die Seite meiner Feinde schlagt um mich in diesem
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