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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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Das
Schweigen der Lämmer denken und sah unsere
zur braunen Nachtfalterlarve geschrumpfte Mutter in dem ungeheuerlichen Feuchtmaul
verschwinden.
    Meine
Schwester klärte ihn auf, dass sie zweitausendeins gestorben war. Wolfi schoss
daraufhin einen schnellen Blick auf sie ab und schaute sofort wieder weg. Marco
hatte den Champagner gefunden, helles Entzücken überrann sein Gesicht. Er
befreite den Pfropfen aus seiner Drahthaft, ließ ihn schwach ploppen, goss vier
Gläser voll und wollte einfach nicht glauben, dass ich keinen Champagner
trank. Waaas? Das gibt's doch nicht!
    Er
nötigte mir das Glas fast in die Hand, während ich wie in Kindertagen finster
ausweichend auf der Rückbank herumrutschte, ließ einige, wie er glaubte,
zweckdienliche Sprüche vom Stapel, die mich lehren sollten, dass ich das Beste,
was die Welt zu bieten habe, verpasste, bis er endlich begriff, dass es
zwecklos war, und das mir zugedachte Glas als Reserve auf seiner Seite der Box
deponierte.
    Durch
Berührung der elektronischen Wipptaste ging die Fensterscheibe auf halbe Höhe
nieder, es war mir ein zwingendes Bedürfnis, Luft hereinzulassen, zur Not auch
die kalte Autobahnluft zwischen Degerloch und Echterdingen.
    Die
Air Condition funktioniert nur, wenn wir die Fenster geschlossen halten, sagte
der Energiewirt und drückte auf die Taste zu seiner Rechten, um das Fenster
wieder emporsteigen zu lassen. Ich fühlte Luftstillstand, der mich das Atmen
erst unterdrücken und dann hektisch nachholen ließ. In jedem geschlossenen
Gehäuse ist mir die Luft widrig, und ich fürchte zu ersticken. Meine Schwester
sah schnell zu mir herüber und öffnete verstohlen auf ihrer Seite das Fenster
um einen Spalt.
    Marco
war das Manöver entgangen, Wolfi nicht.
    Marco
hob sein Glas und bedauerte lebhaft, dass er seine Maus nicht habe mitnehmen
können. Im Moment wussten wir nicht, wer gemeint war. Lebte der dicke Mensch
tatsächlich in Gemeinschaft mit einer zartwinzigen Spielmaus?
    Aber
nein. Marco griff in sein Jackett und holte die Brieftasche hervor, ein
überstopftes, vielfach zusammenlegbares Ding, dem eine Stecklatte Kreditkarten
entfiel. Ihr entnahm er ein Photo: eine kleine Frau mit schiefgelegtem Kopf und
tief in die Stirn reichendem Haaransatz lächelte uns verlegen an, als bitte
sie um Verzeihung, auf der Welt zu sein und uns Sekunden unserer kostbaren Zeit
zu stehlen. Juana, genannt Tita, wie Marco sagte, eine Kolumbianerin, die er
während einer Geschäftsreise in den USA kennengelernt hatte.
    Sehr
nett, sehr schön, wer hätte gedacht, dass du dir eine Kolumbianerin anlachst.
Meine Schwester und ich lobten Tita im Chor. Wer uns genau kannte, hätte darunter
die feinen Schwingungen der Ironie heraushören können, mit der wir die
unglaubliche Tatsache bezüngelten, dass einem so fetten Mann erlaubt war, sich
eine Frau zu nehmen.
    Glücklich
sei er, behauptete Marco, und wie. Er habe genau die Richtige erwischt, so
eine Frau finde man nicht alle Tage, eine, die ihm nicht ständig mit
irgendwelchen Sachen komme. Das misslaunige Gesicht von Herta, der
Zankoff-Mutter, drängte aus weggedämmerten Zeiten heran, ihre gezerrte, hastige
Art zu sprechen erhob sich aus dem Chor der für immer verklungenen
Frauenstimmen, eine Art, mit der sie sich überall Gehör verschafft, sich
überall eingemengt und niemanden in Ruhe gelassen hatte, schon gar nicht ihre
Söhne.
    Sein
Mäusle sei Gold wert. Sie koche wie eine Eins, bügle wie eine Eins, putze wie
eine Eins, und tüchtig sei sie auch sonstwo, wobei er grinsend hinzufügte:
Immer Eins A bei der Sache, ihr wisst schon.
    Wir
hatten unsere Zweifel, schwiegen aber.
    Ihr
wärt für mich nicht in Frage gekommen, sagte Marco, zwinkerte, kicherte und
schlenkerte den Zeigefinger, ihr hattet so was Kratzbürstiges, besonders du
(sein Zeigefinger wies auf mich).
    Dann
zog er zwei Photos mit pummeligen Kleinkindern aus der Brieftasche, Carlos und
Nadja. Carlos erst und dann Nadja, jeweils an einen schwarzweiß gefleckten Hund
gedrückt. Was für ein zauberhaftes Geschöpf! Neugierige Knopfaugen, zwei
mutwillige Falten auf der Stirn, die verrieten, dass er noch jung war, sein
linkes Lauschohr, von dem die Härchen in alle Richtungen abstanden, aufgestellt,
das andere geknickt. Ein erstklassiger Poseur, ein Spaßmacher von einem Hund,
der in einer Show von William Wegman auftreten könnte.
    Wir
bedauerten sehr, dass es ihn in eine so hässliche Familie verschlagen hatte.
    Der
Hund ist ja irrsinnig hübsch, sagte ich

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