Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
Vom Netzwerk:
wedelnd als steigend und fallend, mitdirigierte.
    Still
war's mit einem Mal, die Erregung wurde porös und sackte zusammen. Nur das
gleichmäßig warmdunkle Fahrgeräusch war zu hören, beruhigend, wie es sich für
eine Beerdigungsfahrt gehört, und selbst wenn wir an einem Lastwagen
vorbeizogen, schlug der Lärm von außen nur gedämpft in unsere Kabine herein.
    Meine
Schwester und ich grübelten bis Zürich, was Wolfi gemeint haben könnte. Im
geheimen und ohne, dass wir es wünschten, begann er uns zu beschäftigen. Unsere
Gedanken huschten in gegensätzliche Ecken. War der Mann eine einfache oder
komplizierte Natur? Eine sachlich gesonnene oder eher phantastische?
Intelligent oder dumm? Dass er mit Frauen schäkerte, um ihnen Geld aus der
Tasche zu ziehen, gar als Gigolo ihnen diente, war unvorstellbar. Frauen wollen
unterhalten sein oder, wenn ein Mann schon unablässig schweigt, wenigstens ein
abgründiges philosophisches Genie in ihm vermuten dürfen. Bundesverdienstkreuz?
Was sollte das? Hatte er scherzen wollen und das Mutterkreuz gemeint? Oder
meine Schwester beleidigen wollen? Wolfi war aber kein Witzbold. Er eignete
sich weder zum Unterhalter noch zum philosophischen Illusionsfänger. Etwas
Empörtes war ihm ins Gesicht geschrieben, eine Tumultbereitschaft, die nicht
zum Ausbruch kam, sondern im kleingefurchten Zickzack seines Faltennetzes
verzitterte. Andererseits besaß er durchaus Souveränität. Zumindest, was seine
Kleidung anlangte. Er hatte ein weiches, olivgrünes Hemd an, trug dazu einen
braunen Anzug, der ebenfalls weich wirkte und je nach Beleuchtung eine leicht
gelbliche oder rötliche Aura hatte. Die Schulterpartie war tadellos
geschnitten.
    Seltsam
war die Abneigung, die er augenscheinlich gegen meine Schwester hegte. Dass er
mich nicht mochte, war weiter nicht verwunderlich. Die meisten Männer meiden
mich. Ich bin daran gewöhnt. Bei meiner Schwester liegt der Fall anders. Sie
hat so eine gewisse elastische Art. Passiv, aber nicht lahm. Selbst wenn sie
nicht geradewegs in sie verliebt sind, fühlen Männer sich zu ihr hingezogen.
Die Zurückhaltung, die sie übt, ihre graziöse Figur, ihr blasses, feines
Gesicht, das nichts Herausforderndes hat, das alles verfehlt seine Wirkung
nicht. Und dann ist meine Schwester auch schlau. Wenn sie gefallen will, weiß
sie Mittel präzis einzusetzen. Sie schöpft aus einem riesigen Reservoir an
Männerlob; da sind zartsinnige wie scharfgezielte Sachen darunter, die sie
geschickt an den Mann bringt - mit einem Augenaufschlag, worin grüne Sprengsel
funkeln und glühen, Augenaufschlag, der aus einer Schmaläugigen eine fast
Überäugige macht, während ihre Stimme (Schwesterchen, welcher Teufelspakt hat
dir diese Stimme erkauft) zu einem intimen Flüstern heruntergefahren wird, und
horch nur, leise, leise - hingehaucht, ausgehaucht, zwiegelispelt wie von der
Schlange in Eden - kommt das Lob an den Mann.
    Wie
sehr sie den Bogen raushat, merkt man aber erst in der Sekunde danach, während
der Lobempfänger noch mit seiner Entkräftung ringt und der zerbrechlichen Lage
Herr werden muss. Urplötzlich schaltet das durchtriebene Stück wieder auf
schmaläugig um und blickt so fremd vor sich hin, als wisse sie gar nicht mehr,
mit wem sie es zu tun hat.
    Neidisch?
    Ja
-
    Und
deshalb übel gelaunt? Vielleicht.
    An
Wolfi biss sie sich jedenfalls die Zähne aus. Er ließ es nie so weit kommen, dass
da ein Lob hätte angebracht werden können. Wie auch. Hätte sie ihn etwa rühmen
sollen, weil er sich die Stirn mit den Fingerspitzen rieb wie ein Kopfwehmann?
Wolfi mochte dumm sein wie ein Strohwisch, aber in meiner Achtung stieg er,
das merkte ich schon am ersten Abend im Hotel in Zürich, als Tabakoff beim
gemeinsamen Abendessen seine Ansprache hielt.
    Seinen
Kameraden von ehedem, auf ihrer letzten großen Fahrt gäben wir ihnen das
Ehrengeleit, sagte Tabakoff. Er sei froh, dass die Stuttgarter Bulgarenkinder
sich so zahlreich mit ihm auf den Weg gemacht hätten. Seine Frau sei übrigens
auch dabei, das wolle er uns nicht verschweigen. Seine liebe schöne Frau (hier
begann er zu schluchzen) - einige von uns hätten sie bestimmt noch in
Erinnerung, er selbst habe sie lebhaft in Erinnerung, und der Verlust sei noch
immer schwer zu verkraften. Er schaffte es kaum, ihren Namen auszusprechen,
seine Schultern zuckten, vor lauter Kummer versagte ihm die Stimme.
    Wir
saßen da wie gelähmt, weil es uns unmöglich war, den Geschäftsmann Tabakoff mit
einem solchen Ausbruch

Weitere Kostenlose Bücher