Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
tatsächlich war, ein Freund und ihr Vater. Weiterhin in Gedanken versunken, schüttelte sie leicht den Kopf. Seine Gesellschaft war schon fast angenehm. ’Nein, nicht fast. Ungern würde ich darauf verzichten’, dachte sie schließlich überrascht. Die beiden Drachen und der Zwerg beobachteten das Ganze amüsiert. Das Gesicht der Dreiundzwanzigjährigen drückte anscheinend sehr deutlich die neue Erkenntnis aus. Um diese zu erlangen, waren aber zuvor nochmals die Bilder der Vergangenheit vonnöten gewesen. Dann fiel ihr etwas ein.
„Hergew. Wenn ich meine Fähigkeiten völlig zurück habe, werde ich seines Schutzes nicht mehr bedürfen. Was wird dann aus ihm? Schickt ihn das Licht zurück auf die andere Seite oder darf er weiterleben?“
„Du sorgst dich um Cadars Bestehen? Fast möchte man meinen, du würdest ihn dann vermissen.“ Listig funkelten die großen bernsteinfarbenen Augen des silbernen Drachen.
„Ja, das würde ich wohl. Ich hatte nicht geglaubt, ihm jemals vertrauen, ihm gar vergeben zu können. Doch du hast mir gerade gezeigt, dass es nicht Cadar war, der gegen mich kämpfte. Es war lediglich seine Hülle, die für die finsteren Zwecke unserer Gegner missbraucht wurde.“
„So ist es. Es wurde Zeit für dich, dieses zu erkennen. Dein Misstrauen hat dir viel nötige Ruhe geraubt. Nun wirst du wieder vermehrt in ruhigen Schlaf finden.“
„Du hast die Frage noch nicht beantwortet“, sagte sie leise. Sie fürchtete etwas zu hören, was ihr missfallen würde.
„Er lebt. Und es ist einzig der Tod, der ihn dir wieder nehmen kann. Niemand weiß, wann das geschehen wird.“
Sie atmete hörbar auf. Die Mächte, die ihr den starken Verbündeten an die Seite gestellt hatten, würden ihn ihr nicht wieder entreißen. Ihr wurde Zeit gegeben, den Mann wirklich kennen zu lernen. Dies wollte sie jetzt auch endlich zulassen.
Es verging viel Zeit, in der die Anwesenden der Halbelbin Ruhe ließen, ihren Überlegungen nachzugehen. Bis in den späten Abend hinein schien sie in einer anderen Welt gefangen. Hin und wieder zuckte ein leichtes Lächeln über ihre jungen Züge. Ab und zu spiegelte sich aber auch Trauer darin. Meist jedoch waren ihre Augen starr auf den Horizont gerichtet.
„Es wird Zeit. Lass uns einen Platz suchen, an dem sich auch Jandahr wohl fühlt. Er benötigt mehr Schlaf als du. Bei dem, was aber noch auf dich wartet, solltest du ihn ebenfalls suchen.“ Resuris hatte ganz sacht mit seiner Schwanzspitze die Kriegerin aus ihren Gedanken gerissen. Etwas verwundert, da längst der Mond am wolkenlosen Himmel stand, gab sie ihm Recht.
„Natürlich.“ Gemeinsam nahmen sie den Weg in den hinteren Teil des Tals. Bis dahin war sie damals nicht gelangt. Den Drachenstein hatte sie schon zuvor in den Händen gehalten.
Ein Stück bevor die Felswände senkrecht in den Himmel stiegen, wuchs ein kleiner Wald aus dem Boden. Seine Bäume waren recht gewaltig, so wie die draußen in dem herrlich bunt blühenden Tal. An einer seiner Seiten fanden die Drachen und die junge Frau einen bequemen Platz. Der Zwerg aber nutzte die Gelegenheit und zog sich in die gewohnte Umgebung des Steins zurück. Eine kleine Höhle gab ihm die Möglichkeit dazu. Schnell hörten die Drachen und die Dreiundzwanzigjährige sein tiefes Schnarchen. Aber auch die verstoßene Tochter Let’wedens fand in dieser Nacht, nach einem kurzen Gespräch mit Hergew und Resuris, schnell in den Schlaf.
„Jandahr machte es mir zur Aufgabe, euch und euer Tal aufzusuchen, mit Hilfe der schnellen Reise. Als wir eintrafen und ich euch nirgends entdecken konnte, fürchtete ich schon, dass euch abermals das Böse in seinen Bann schlagen konnte. Ich bin froh, dass es nicht so ist.“
„Es wäre diesmal wesentlich mehr Kraftaufwand vonnöten, als vor Jahren, da du uns die Freiheit zurückgeben konntest. Ich glaube gar, dass nun einzig der Gebieter der Finsternis in der Lage wäre, uns in Dunkelheit zu binden.“
„Wie kommst du zu dieser Vermutung?“
„Es ist dein großzügiges Geschenk, welches eine gewaltige Macht besitzt. Es schützt nicht nur unser Tal, sondern auch uns vor feindlicher Magie.“
„Welches Geschenk? Ich kann mich nicht erinnern, euch eines überreicht zu haben.“
„Du hast uns nicht in den Kampf gezwungen, in dem unsere Unterstützung so dringend notwendig gewesen wäre. Stattdessen gabst du uns den Stein meines Volkes zurück. Dies ist ein wahrhaft mächtiges Geschenk. Nun allerdings bedürfen wir seiner nicht
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