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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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sein Fall von der Schlaufe, in der sein Fuß steckte, schmerzhaft gebremst. War der Herabstürzende, dessen verzweifelte Schreie er immer noch hörte, einer der Rotarmbinden? Er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn nun drehte die Ratsche im wahrsten Sinne des Wortes durch: Klack-Klack-Klack-Klack-Klack-Klack-Klack-Klack …
    Niemand hielt das Kontrollseil mehr gespannt! Col fiel mit enormer Geschwindigkeit nach unten – tiefer und tiefer raste er mit dem Kopf voran durch die nasskalten Dampfwolken. Das andere Ende des Seils mit dem Gegengewicht schoss an ihm vorbei nach oben und verfehlte seinen Kopf nur um Zentimeter. Instinktiv legte Col seine Arme um den Kopf, als ob das beim Aufprall etwas nützen würde. Jetzt konnte er unter sich bereits die ersten Umrisse riesiger Maschinen ausfindig machen … es war zu spät.
    Ein weiteres Mal brachte ihn ein heftiger Ruck zum Halten.
    Er musste mindestens dreißig Meter tief gefallen sein und wieder kurz das Bewusstsein verloren haben. Er hing weiterhin kopfüber an dem Seil und schwang langsam hin und her. Mehr passierte nicht.
    Seine Beine brannten, seine Finger pochten wie wild, sein ganzer Körper war eine einzige schmerzende Masse. Links von sich konnte er den riesigen zylindrischen Umriss eines Dampfkessels sehen, auf der anderen Seite erkannte er einige nach unten führende Leitern. Aber sie waren zu weit weg für ihn.
    Die Maschinen um ihn herum waren stumm, aber von oben vernahm er ein neues Geräusch: Gewehrsalven. Etwa ein halbes Dutzend Schüsse in schneller Folge, dann Stille, dann erneut Schüsse und wieder Stille.
    Was hatte das zu bedeuten? Er konnte nur hoffen und beten. Nach einer Weile hörte das Schießen ganz auf. Er hing weiter wie betäubt mit dem Kopf nach unten an seinem Seil. Minutenlang.
    Dann fühlte er, dass etwas an seinem Bein zog. Endlich! Ein Zug – eine Pause. Ein Zug – eine Pause. Jemand holte ihn hoch!
    52
    Der Aufstieg schien eine Ewigkeit zu dauern. Als Col endlich die Inspektionsplattform erreichte, hatte er es geschafft, seinen Fuß aus der Schlaufe zu winden und stand nun in ihr. Im Käfig waren drei Gestalten mit den Seilen beschäftigt. Vor allem Gillabeth war es, die ihn hinaufgezogen hatte; Quinnea und Sephaltina hatten ihr geholfen.
    Die einzigen anderen Menschen im Käfig waren fünf Gestalten, die ausgestreckt auf dem Boden lagen – fünf Rotarmbinden. Drei waren an Händen und Füßen gefesselt, die beiden anderen anscheinend tot oder bewusstlos.
    Col sprang über die Schwelle.
    »Mein Mann!«, rief Sephaltina. Sie lief mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    Col staunte – und Sephaltina schien über sich selbst überrascht.
    »Ich dachte, du lägst tot dort unten«, sagte sie. »Ich bin so froh, dass du lebst.«
    Sie sprach schüchtern, aber in einem normaleren Ton als bisher. Zum ersten Mal ging ihm ihr Niedlichsein nicht auf die Nerven.
    »Wo sind Riff und die anderen?«, fragte er.
    Gillabeth antwortete ihm: »Auf dem Orlopdeck, sie befreien die Gefangenen.«
    »Haben wir gesiegt?«
    »Du hättest uns sehen sollen!«, fiel Quinnea ein, deren übliche Blässe einer aufgeregten Röte gewichen war. »Die Rotarmbinden haben versucht, mich nach dir herabzulassen, aber es ging nicht. Ich hatte einen Panikanfall.«
    »Und das ist gut?« Er verstand den Stolz in ihrer Stimme nicht.
    »Ja, weil ich so einen Wirbel gemacht habe, dass die Rotarmbinden mich nicht zu fassen bekamen. Ich hab ein Ablenkungsmanöver gemacht, und sie konnten einfach nicht begreifen, wie ich mich aus meinen Fußfesseln befreit hatte.«
    »Vater hat den Schlüssel, nachdem er ihn benutzt hatte, Mutter gegeben«, erklärte Gillabeth. »Sie hat ihn dann Dunga gereicht und die mir.«
    Quinnea plapperte weiter. »Also hab ich das Ablenkungsmanöver gemacht, und dann kam die Dreckige durch die Tür und hat die Rotarmbinden von hinten angegriffen.«
    »Riff«, sagte Gillabeth.
    »Ja, ja. Sie hat in einem solchen Tempo Schläge und Fußtritte ausgeteilt und ist um die Männer herumgetänzelt, dass sie kaum noch zu sehen war. Dann hat auch die andere Dreckige mitgemacht.« Wieder war es Gillabeth, die den Namen lieferte: »Dunga.« Col, der Riff schon öfter in Aktion erlebt hatte, konnte sich die Szene gut vorstellen.
    »Aber ich habe doch Gewehrschüsse gehört? Was ist damit?« Er zeigte nach oben auf die geöffnete Luke, und Gillabeth nickte. »Die anderen Rotarmbinden

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