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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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erwarten? Ich sage, es ist zu spät für Gnade! Jetzt ist die Zeit für Gerechtigkeit gekommen. Sie muss mit ihrem Leben büßen, und ihr Gemahl mit ihr.«
    Falls jemand in der Menge anderer Meinung war, ließ er es sich nicht anmerken. Nur Gansy meldete sich zu Wort. »Aber warum jetzt? Wieso ist jetzt der Zeitpunkt für Gerechtigkeit, wieso war das nicht schon vor drei Monaten?«
    »Weil wir jetzt bedingungslose Hingabe brauchen!« Lye erhob ihre Stimme. »Bevor wir unseren Angriff starten! Erst wenn die beiden hingerichtet sind, haben wir das alte Regime für immer hinter uns gelassen! Dann führt kein Weg mehr zurück!«
    Col betrachtete die gestapelten Klapptische; wenn die ihnen die Sicht verstellten, hieß das umgekehrt auch, dass sie durch die Tische vor den Blicken der anderen geschützt waren. Wenn er also dorthin kriechen würde, könnte er die Menge nach Mr. Gibber absuchen.
    Im Versammlungssaal räusperte sich Victoria und fragte Shiv: »Darf ich sprechen?«
    »Ob du sprechen darfst?« Shiv blickte zu Lye, die kaum sichtbar nickte.
    »Ja«, antwortete Shiv. »Ich erlaube dir zu sprechen.«
    Victoria wandte sich an die Menge; alle Augen waren auf sie gerichtet.
    Jetzt war ein guter Zeitpunkt für Col. Er legte seine Waffe auf den Boden und flüsterte den anderen zu: »Ich seh mich mal um.«
    Er ging in die Hocke und drückte sich durch die Tür. Niemand sah ihn, denn aus der Menge blickten alle wie gebannt nach vorne. Er hastete zu den Tischen und duckte sich in ihren Schutz.
    »Ich wollte niemals Königin sein«, sagte Victoria gerade. »Und ich weiß, dass Albert mich nicht geheiratet hat, um Prinzgemahl zu werden. Wir waren immer nur Aushängeschilder, und wir haben es nie genossen. Wir wollen einfach nur ganz normale Menschen sein.«
    Und Albert fügte hinzu: »Die Befreiung ist das Beste, was uns je passiert ist.«
    »Wir wollen eine ganz normale Mutter und ein ganz normaler Vater sein.« Victoria legte eine Hand auf ihren Babybauch. »Und Henry … oder Henrietta … wird unser geliebtes Kind sein. Wir geloben hiermit, ein unauffälliges Leben zu führen und niemandem zur Last zu fallen.«
    Col hatte sich mittlerweile durch die Tische nach vorn gearbeitet und hielt Ausschau.
    »Normalität kann es für euch nicht geben«, sagte Lye zu Victoria. »Ihr seid, was ihr repräsentiert. Und was ihr repräsentiert, ist ein altes Tyrannengeschlecht.«
    Auch dieses Mal bestand die Menge hauptsächlich aus Rotarmbinden; etwa ein Drittel von ihnen waren Botany-Bay-Sträflinge. Auch unter den Dreckigen waren nur wenige, die Col kannte. Endlich entdeckte er Mr. Gibber. Er hatte sich nicht unter die Menge gemischt, sondern stand halb versteckt hinter einer Marmorsäule – nicht weit entfernt von Col.
    »Und dein ungeborenes Kind repräsentiert dasselbe wie ihr«, fuhr Lye mit ihrer Tirade fort. »Die Fortsetzung eures Geschlechts. Die Weiterführung einer Unrechtstradition. Das Kind bedeutet für uns, dass unser Leiden sich in der Zukunft fortsetzen könnte.«
    Col kroch unter den Tischen wieder zurück und gab den anderen mit seinem hochgestellten Daumen ein Signal. Hoffentlich hatten sie das durch den Spalt gesehen.
    »Das ist nicht f… fair«, stotterte Albert entrüstet. »Wie könnt ihr so etwas über ein ungeborenes Kind sagen?«
    Lye grinste höhnisch. »Was wisst ihr denn schon von Fairness? Es steht euch nicht zu, über Gerechtigkeit zu sprechen!«
    »Vielleicht nicht!« Die Tür schwang auf, und Riff marschierte in den Saal. »Aber mir steht es zu!«
    54
    Hinter Riff traten Dunga, dann Gillabeth und Orris und zum Schluss Sephaltina in den Saal. Alle unbewaffnet.
    Die Menge verfiel in Schweigen, nicht aber in Bewegungslosigkeit. Als Col auf die Beine sprang und sich zu den anderen stellte, konnte man hören, wie Waffen angelegt und mit einem Klick entsichert wurden. Dutzende von Gewehren waren auf sie gerichtet.
    Lye hatte es komplett die Sprache verschlagen, aber sie bebte vor Zorn. Riff stellte sich Auge in Auge vor ihr auf. »Du sprichst gerne von Gerechtigkeit, was?«, fuhr sie Lye an. »Aber immer nur in Bezug auf andere Leute. Dabei bist du diejenige, gegen die verhandelt werden und die für ihre Taten bestraft werden sollte.«
    Shiv hatte vor Lye die Sprache wiedergefunden. »Was habt ihr hier zu suchen? Ihr seid verurteilt worden, ihr alle. Ihr solltet als Gefangene nach Unten geschickt werden.«
    »Genau, und als wir dort ankamen, sind wir auf sehr viele andere Gefangene gestoßen.« Jetzt

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