Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
übertreibt mit seinen Disziplinierungsmaßnahmen, dann wird Templeton ihn bestimmt zur Ordnung rufen und ihm vor Augen halten, dass wir immerhin Electoren und zum hochwürdigen Dienst im Lichttempel berufen sind. «
Colinda winkte ab. » Ach was, Templeton wird sich hüten. Er ist doch selbst für Zucht und Ordnung. «
» Und wenn schon « , sagte Nekia. » Was soll es uns kümmern? In ein paar Monaten holt uns das Lichtschiff, spätestens im Oktober. Und dann haben wir mit alldem nichts mehr zu schaffen. Dann sind wir Lichttempler! «
Hailey seufzte. » Gebe die Erhabene Macht, dass die Zeit bis dahin wie im Flug vergeht! «
Colinda lachte spöttisch. » Schön wär’s, aber der Sommer wird noch lang, das sage ich euch. «
Plötzlich trat Dante auf der Seite, wo Kendira saß, an ihren Tisch. » Fehlt bei euch noch was? « , erkundigte er sich höflich, wie es zu den Aufgaben eines Servanten im Refectorium gehörte.
» Ja, Sirup und Kakao– und das schon seit ’ner Ewigkeit! « , maulte Hailey und schob ihm die leere Metallkanne und den Sirupgießer zu, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und fuhr im nächsten Atemzug mit ihrer Geschichte über ein Erlebnis im Waschraum fort, die sie gerade zum Besten gab.
Als Dante wenig später mit einer vollen Kanne Kakao und einem aufgefüllten Sirupgießer zurückkam, stellte er das Gefäß mit dem warmen Ahornsaft vor Kendira hin, schaute auf ihren leeren Becher, auf dessen Boden nur noch ein Rest heißer Schokolade zu sehen war, und fragte: » Soll ich dir gleich eingießen, Elector Kendira? «
An der Frage war nichts, was am Tisch Aufmerksamkeit oder gar ein Stutzen hätte erregen können. Die Electoren respektvoll anzureden, sie zu bedienen und alle anderen lästigen Arbeiten zu erledigen, dafür waren die Servanten nun mal da. Und bis auf eine Ausnahme schenkte deshalb keine der Mitschwestern der Szene auch nur flüchtige Beachtung.
Kendira nickte wortlos und ohne zu ihm aufzublicken.
Als Dante einige Minuten später einen Korb mit Toastbrot und eine Schüssel dampfendes Rührei brachte, stellte er beides scheinbar zufällig in Kendiras unmittelbarer Nähe auf den Tisch und zog sich dann rasch wortlos wieder zurück.
» Schau an, schau an! « , raunte Nekia und stieß ihr verstohlen in die Seite, als Dante sich entfernt hatte, während sich die anderen am Tisch laut über die nächste Lichtmesse unterhielten und darüber, wer wohl diesmal zu den auserwählten Lichtträgern gehören würde.
Kendira runzelte die Stirn und fragte über den Rand ihres Bechers zurück: » Schau an was? «
Nekia lehnte sich zu ihr herüber. » Na, dieser Dante schwänzelt ja ziemlich um dich herum. Bist du dir sicher, dass das vorhin am Vista Hill nicht vielleicht doch ein romantisches Date war? «
Kendira schoss ihr einen ungehaltenen Blick zu. » Blödsinn! Was du dir nur wieder zusammenfantasierst! Der tut seine Arbeit, so wie immer, und sonst nichts. «
» Na, ich weiß nicht « , flüsterte Nekia und zwinkerte ihr zu. » Jedenfalls scheint er eine Schwäche für dich… «
Ihr Satz blieb unbeendet. Denn in dem Augenblick kamen Carson und Duke von der anderen Seite, wo sich die Tische der männlichen Electoren aneinanderreihten, zu ihnen herüber. Ihre aufgeregten Mienen verrieten, dass sie irgendwelche Neuigkeiten hatten, die sie ihnen unbedingt mitteilten mussten.
Carson und Duke waren wie die fünf Mädchen am Tisch nicht nur Electoren im Alpha-Level, sondern auch Teil ihrer Clique, zu der gewöhnlich auch noch ein Mädchen namens Joetta sowie der mandeläugige Chilo und die Zwillinge Fling und Flake gehörten. Carson und Duke waren unkompliziert im Umgang, ausgesprochen gute Sportler und zählten beim Tanz der Tausend Stäbe im Schwarzen Würfel zu den Top 5 Prozent aller Electoren, was schwerer alles andere wog.
Insbesondere der dunkelblonde Lockenkopf Carson, der sich meist unbekümmert gab und gern den Eindruck erweckte, überhaupt nicht ehrgeizig zu sein und seine beachtlichen Leistungen ohne jede Anstrengung aus dem langen Kuttenärmel zu schütteln, zeichnete sich fast jedes Mal bei den strapaziösen Runs aus. Er galt als einer der Top Driver der Lichtburg.
Duke war sein bester Freund. Er hatte eine ähnlich schlanke und sehnige Gestalt, war jedoch mit einem dunklen, störrisch struppigen Haarschopf geschlagen, der jedem noch so entschlossenen Zähmungsversuch durch Kamm oder Bürste erfolgreich widerstand. Auch Duke stand in der lounge, dem Warte- und
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